Geschwisterstreit in Kurzform:
„Das ist MEINE Zeitschrift!“
„Ich will die aber jetzt haben!“
„NEIN, kriegst Du nicht!“
„Du bist bescheuert!!“
„Selber bescheuert!“
Die Tür wird zugeknallt und es fließen Tränen… Mittendrin wir und die Frage „Was haben wir nur falsch gemacht, dass die beiden so streiten!? Können die sich nicht auch NUR EINMAL vertragen oder etwas friedlich lösen!?“.
Na, wer kennt´s? Wenn die eigenen Kinder streiten, wird das zur Zerreißprobe für die ganze Familie. Emotional geht’s ab wie im Hollywood-Blockbuster, nur gefühlt fehlt das zuverlässige Happy End. Als Komödie taugt das ganze Spektakel auch nur, wenn wir Eltern mal wirklich in einem maximal ressourcenvollen Zustand sind. Aber unter uns: wann sind wir das schon, v.a. in dieser sehr herausfordernden Zeit? 🤷🏼♀️
Hier ein kurzer Überblick, was Dich in diesem Beitrag erwartet:
💗 Teil 1 – Schlagen, Streiten, Eifersucht
💗 Teil 2 – Haben wir als Eltern versagt?
💗 Teil 3 – 3 Praxisbeispiele, wie Du mit Geschwisterstreit umgehen kannst
Kommt mit und wir schauen gemeinsam, was bei so einem Geschwisterstreit genau passiert – bei unseren Kindern UND bei uns. Wir schieben die Emotionen, die sich so lautstark breit machen, für einen Moment beiseite. Ich bin sicher, wir entdecken noch mehr, was interessant sein könnte.
Schlagen, Streiten, Eifersucht
Zu einem ganz normalen Tag in einer ganz normalen Familie gehört ein Programmpunkt recht zuverlässig dazu: der Geschwisterstreit. Es wird geschrien, gehauen, gekratzt, beleidigt und die Türen fliegen so laut wie die Legosteine weit. Oft geht es noch vor dem Frühstück los, an anderen Tagen herrscht idyllische Stimmung bis plötzlich um 17:03 Uhr doch noch die Tornados durch die Bude fegen. Ich atme dann schon fast erleichtert auf, denn einen ganzen Tag gute Laune und Sonnenschein? Das kommt mir irgendwie auch unheimlich vor.
Wir alle wissen, dass Kinder streiten. Denken wir an die berühmt-berüchtigte Schaufel im Sandkasten. Und wir wissen auch, dass Streiten gelernt sein will. Dazu braucht es natürlich Möglichkeiten das zu üben. So rein rational betrachtet können wir das alle unterschreiben. Aber mal ehrlich, wie rational sind wir Eltern noch, wenn sich unsere Kinder die Köpfe einschlagen oder sich mit solchen Wörtern beschimpfen, dass wir uns nur noch wundern, wo sie die her haben?
Wirklich kalt lässt uns das nicht, denn: der Streit unter Geschwistern hat nochmal eine ganz andere Qualität im Sinne von Härte.
Spannend also die Frage: was macht das mit uns Eltern genau? Wie fühlen wir uns, wenn kriegsähnliche Zustände im Kinderzimmer herrschen und wir uns insgeheim Feuerwehrmann Sam herbei wünschen, damit er einen seiner achso schlauen und belehrenden Sätze raushaut?
Haben wir als Eltern versagt?
Zugegeben, das Wort VERSAGEN klingt ganz schön hart. Und vermutlich regt sich bei den meisten von Euch sofort Widerstand, wenn ich Euch die Frage stellen würde. „Naja, wir haben deswegen doch nicht versagt, nur weil unsere Kinder streiten!“. Sehe ich, ehrlich gesagt, auch so. Sagt mir – und auch Euch – der Verstand.
Gleichzeitig ist es aber genau das, was wir Eltern FÜHLEN. Immer und immer wieder. Nicht nur, wenn die Kinder streiten.
Auch dann, wenn unsere Kinder
- sich nicht anziehen (lassen),
- nicht in Kita/Schule wollen,
- nicht Danke oder Bitte sagen,
- beim Essen nicht sitzen bleiben
- …
Mir geht es da nicht anders als Euch. Wenn hier die Fetzen fliegen, bin ich eine an mir zweifelnde Mutter und die Familiencoach ist währenddessen irgendwo ein Bier trinken. 😅
Deshalb für uns alle eine ganz wichtige Botschaft:
Das Verhalten unserer Kinder ist KEIN Zeugnis darüber, ob
wir gute oder schlechte Eltern sind.
Am besten hören wir alle sofort damit auf in Kategorien wie „gut“ und „schlecht“ zu denken, wenn wir von Elternschaft reden. Warum ich darauf so sehr eingehe anstatt den Fokus auf den Streit der Kinder zu legen? Weil in meiner Wahrnehmung genau das ein wichtiger Teil der Lösung ist. Solange wir hilflos oder wütend daneben stehen, wenn unsere Kinder sich die Köpfe einschlagen, sind wir gefangen. Wir sind eingeschränkt in unserer Handlungsfähigkeit und wir nehmen uns dadurch die Möglichkeit, unsere Kinder und die Situation so zu begleiten, wie es nötig wäre.
❓Das führt mich zu einer zentralen Frage, die mir zum Start der Themenwoche ganz oft gestellt wurde: WANN GREIFE ICH EIN UND WANN NICHT?
Darüber herrscht so viel Unsicherheit. Deshalb schauen wir uns im nächsten Teil konkrete Beispiele an, die diese Frage beantworten werden. Zudem bekommt Ihr einen Überblick über die Gründe, warum Kinder eigentlich soviel streiten.
3 Praxisbeispiele, wie Du mit Geschwisterstreit umgehen kannst
Was wir aus Teil 1 und 2 wissen: Kinder streiten und wir Eltern fühlen uns dabei sehr oft nicht gut. Zudem sind wir verunsichert, weil uns nicht klar ist, wann wir eingreifen sollen und wann nicht.
Legen wir den Fokus mal auf die Kinder. Wann streiten Kinder eigentlich? Wir glauben meistens, es liegt daran, dass sie nicht teilen wollen oder zur gleichen Zeit genau das gleiche Spielzeug möchten. Manchmal befürchten wir sogar, dass sie sich gar nicht lieben oder dass sie sich gegenseitig oder uns bewusst ärgern wollen.
Wenn man jedoch genau hinschaut, dann ist der wahre Grund oft einer der folgenden:
- Hunger
- Müdigkeit
- Frust (unerfüllte Erwartungen, Streit mit Freund:innen)
- Suche nach Aufmerksamkeit bzw. der Wunsch gesehen zu werden
- Überforderung (z.B. Schulstress)
- …
Und das Schwierige daran ist, dass sich die eigentliche Ursache oft nicht gleich erkennen lässt. Kein Kind sagt „Ich hau jetzt meinen Bruder, weil ich mit meiner Freundin in der Schule gestritten habe.“. 😅
Was also tun bei Geschwisterstreit? Den Streit BEGLEITEN. Wie geht das? Das zeige ich Euch anhand von 3 konkreten Beispielen.
Situation 1: Das größere Kind 1 malt ein Bild, das kleinere Kind 2 nimmt einen Stift und kritzelt darauf rum. Es kommt zum Streit um das Bild, Geschrei und Tränen folgen.
- Schritt 1: Zu den Kindern gehen und „STOP!“ sagen. Wichtig ist hier wirklich nah bei den Kindern zu sein und auch physisch auf Augenhöhe gehen.
- Schritt 2: Zu Kind 1: „Du wolltest gerade ein Bild malen und dann kam dein Bruder und hat darauf rumgemalt. Jetzt bist du wütend/traurig, oder?“
- Schritt 3: Zu Kind 2: „Du hast das schöne Bild deiner Schwester gesehen und wolltest mit ihr zusammen etwas malen. Du bist traurig, wenn du nicht mitmachen darfst, richtig?“
- Schritt 4: Zu beiden Kindern: „Wie wäre es, wenn wir 3 ein großes Bild zusammen malen? Jeder bekommt ein Blatt und zum Schluss kleben wir sie aneinander?“
Situation 2: Kind 1 hat einen Freund zu Besuch, Kind 2 möchte gerne mitspielen, wird aber aus dem Zimmer verbannt, weil es „stört“. Es wird laut und die Türen knallen.
- Schritt 1: Zu den Kindern gehen, auf Augenhöhe achten und sagen „Ich sehe, ihr habt grad Streit. Gleichzeitig möchte ich nicht, dass hier die Tür so laut zugeschlagen wird.“
- Schritt 2: Zu Kind 1: „Du hast deinen Freund zu Besuch und möchtest die Zeit mit ihm in Ruhe verbringen, oder?“
- Schritt 3: Zu Kind 2: „Ich weiß, wie sehr du den Freund deines Bruders magst. Du möchtest gerne dabei sein und mitspielen, richtig?“
- Schritt 4: Zu Kind 2: „Ich bin sicher, die beiden vertragen auch gleich einen Nachmittagssnack. Während sie noch etwas zu zweit spielen, lass uns den schon mal vorbereiten. Ich schneide das Obst und du legst daraus lustige Gesichter. Ok?“
Situation 3: Kind 1 hat mehr Saft in der Schorle* oder mehr Süßigkeiten an Halloween abgestaubt oder [Platzhalter für jede Form von Ungerechtigkeit]. Es eskaliert…
- Schritt 1: Zu den Kindern gehen, auf Augenhöhe achten und sagen „Ich sehe, ihr habt grad Streit, weil eine scheinbar mehr abgekriegt hat als der andere.“
- Schritt 2: Zu Kind 2: „Du möchtest gerne genau so viel Saft/Süßigkeiten haben wie deine Schwester, oder?“
- Schritt 3: Zu Kind 1: „Ich sehe, dass du tatsächlich mehr Saft/Süßigkeiten hast. Das magst du gerne behalten, richtig?“
- Schritt 4: Zu beiden Kindern: „Wie können wir das gemeinsam lösen? Welche Idee habt ihr dazu?“ Und dann einfach mal warten, auch wenn es schwerfällt. Kinder haben oft erstaunliche Ideen, um sowas aufzulösen. Probiert es einfach mal aus!
Mir ist bewusst: das sind (verkürzte) Beispiele, die sich nicht 1:1 umsetzen lassen, weil die Konstellation in jeder Familie individuell ist.
Gleichzeitig haben alle 3 Beispiele etwas gemeinsam:
💗
Wir sind mit den Kindern auf Augenhöhe.
Wir suchen keine:n Schuldige:n.
Wir lenken den Fokus auf die Bedürfnisse.
💗
Und was das Eingreifen generell betrifft: hier gibt es keine pauschalen Regeln, da es immer vom Kontext, den verschiedenen Beziehungen in der Familie (Eltern > Kinder, Kind > Kind) und dem Alter der Kinder abhängt.
Folgende 3 Empfehlungen kann ich Euch mit auf den Weg geben:
- Streit begleiten statt stoppen: Nur so kann sich eine StreitKULTUR entwickeln
- Genau hinschauen: Also nicht den ersten offensichtlichen Grund einfach hinnehmen
- Sicherheit geht vor: Bei Handgreiflichkeiten auf alle Fälle dazwischen gehen. Gewalt ist NICHT OK.
Ausgehend vom letzten Punkt noch ein wichtiger Hinweis. Wenn wir etwas ablehnen wie bspw. Gewalt, dann ist es IMMER die Handlung und NIE die Person, in dem Fall unser Kind. Andernfalls wirkt sich das bei den Kindern auf ihre Identitätsbildung aus: Sie denken dann „ICH bin böse“ und im nächsten Schritt „Also haue ich“. Sie würden sich dann im negativen Sinne erwartungskonform verhalten.
Probiert es doch einfach mal aus und findet darüber EUREN Weg. Und wenn Ihr merkt, dass Ihr dabei noch etwas Unterstützung benötigt, dann können wir das gerne gemeinsam im Coaching anschauen. Oder Ihr meldet Euch direkt an für meinen Onlinekurs GEFÜHLE BEGLEITEN. Dort schauen wir uns ganz konkret das Thema Gefühle an. Und die nehmen beim Geschwisterstreit ja wirklich einen großen Teil ein.
Da ich mich immer über Impulse und Austausch freue, würde mich interessieren, welche Erfahrungen Du bisher zu dem Thema Geschwisterstreit gemacht hast. Wie gehst Du damit um?
Ich freue mich über einen Kommentar oder eine Nachricht von Dir.
Bleibt rosa.
Eure Ramona