Während ich hier sitze und vermeintlich in Ruhe diesen Text schreibe, geht es an anderer Stelle ganz schön ab. Mental Load ist angesagt, in meinem Gehirn.
- „Ich muss noch die Befüllung für den Adventskalender besorgen.“
- „Die nasse Wäsche muss in den Trockner. Am besten gleich, weil die Sporthose für die Große drin ist, die sie morgen wieder braucht.“
- „Mist, ich wollte ja das Fotoalbum für die Uroma wegschicken, aber es fehlen noch zwei Fotos, die nicht eingeklebt sind.“
- …
Die Liste ließe sich eine ganze Weile weiterführen, aber ich denke, Ihr kennt das. Die ganz normale Todo-Liste einer Mutter, oder? Haben wir ja alle irgendwie. Warum also aufregen. Man könnte genauso gut sagen „Hast Du doch so gewollt!“ – die Augen-auf-bei-der-Berufswahl-Variante der modernen Elternschaft.
Tja, Ihr ahnt es: so einfach ist das nicht. Hier geht es um mehr als eine einfache Todo-Liste. Es geht um MENTAL LOAD, eine unsichtbare Last, die uns ziemlich zu schaffen macht.
Hier ein kurzer Überblick, was Dich erwartet:
💗 Teil 1 – Überlastet, erschöpft… und unsichtbar
💗 Teil 2 – Was Mental Load so erfolgreich macht
💗 Teil 3 – Ein Exit-Szenario
Werft mit mir gemeinsam einen Blick hinter die Kulissen, auch hier gibt es Interessantes zu entdecken. Wir reden nämlich von viel mehr als einer etwas zu langen Todo-Liste oder ein bisschen Erschöpft-Sein. Mental Load ist eine harte Nummer, die ganz schön viel richtig macht, um uns das Leben schwer zu machen. Kategorie: Endgegner. Wir brauchen also eine gute Strategie, vielleicht sogar ein paar Zaubersprüche.
Überlastet, erschöpft… und unsichtbar
Dass wir Eltern grad extrem müde und ausgelaugt sind, das liegt viel an den doch etwas verrückten Zeiten, die einiges von uns abverlangen. Dennoch möchte ich C. mit all seinen Widrigkeiten für einen Moment beiseite schieben. Wir brauchen nämlich einen klaren Blick und wenn wir alles durch die Pandemiebrille betrachten, verkennen wir ein paar wichtige Zusammenhänge, die vorher auch schon da waren. Ja, es gab mal eine Zeit vor dieser Zeit, auch wenn sie gefühlt ewig zurück liegt.
MENTAL LOAD war auch 2019 schon ein Thema, es lässt sich sogar bis in die 1970er Jahre zurückverfolgen (einfach mal die Suchmaschine nach Anne Tyler und „Still just writing“ befragen). Dabei geht es um die Last, die durch die alltäglichen Aufgaben rundum Organisation und Beziehungspflege in der Familie entsteht. Diese Last kann so erdrückend sein, dass Betroffene auf der Autobahn in Richtung Burnout unterwegs sind: also nicht nur ein bisschen müde, sondern maximal erschöpft. Nichts geht mehr.
Aber was macht all diese Aufgaben eigentlich zur Last? Ist es die Menge, ist alles zu viel? Ja, das mag eine Rolle spielen. Allerdings ist der belastende Teil einer Aufgabe der UNSICHTBARE Teil, weil man ihn nicht sieht.
Ein Beispiel:
Auf der Todo-Liste steht „Sportsachen von Kind 1 zusammenpacken“. An sich recht einfach und auch nicht zeitaufwändig. Dauert vermutlich keine 2 Minuten.
Der Mental-Load-Anteil daran: „Bevor ich die Tasche packen kann, muss ich die Wäsche in den Trockner stecken, da ich die Sporthose heute gewaschen habe.“
Und so wird aus einer einfachen schnellen Aufgabe ein Kandidat für die Schleppliste, weil sie sich eben nicht sofort und in weniger als 2 Minuten erledigen lässt, sondern sich durch eine Abhängigkeit verzögert. Wenn jetzt noch eine andere Wäsche im Trockner ist, die erst in einer Stunde fertig ist, wir aber gleich einen Ausflug machen, dann gibt es noch mehr Abhängigkeiten und Verzögerung und ich muss diese Aufgabe noch längere Zeit in meinem Kopf behalten.
Was Mental Load so erfolgreich macht
Wäre unser Mental Load ein Karrieremensch, er wäre an der obersten Position der Karriereleiter. Nicht, weil er Top-Zeugnisse vorweisen kann und äußerst kompetent ist, sondern vielmehr weil er sich unter für ihn günstigen Rahmenbedingungen verdammt gut verkaufen kann.
Die 3 Erfolgsfaktoren unseres Mental Load:
- DAS UNSICHTBARE. Im ersten Teil ging es bereits darum, dass es bei unseren alltäglichen Aufgaben immer Elemente gibt, die auf den ersten Blick unsichtbar sind, wenn wir auf die Todo-Liste schauen. Was nicht heißt, dass sie nur wenig Aufwand bedeuten. Im Gegenteil: Was beim Todo „Keller ausmisten“ völlig untergeht: das aussortierte Zeug muss entsorgt oder verkauft werden. Hände hoch, wer mindestens einen „ebay-Stapel“ zuhause hat. Ja genau, und Ihr wisst auch, wie lange das dauern kann bis der weg ist.
- DIE AUFGABENVERTEILUNG. Bedingt durch den vorherigen Punkt ist es oft schwierig, Aufgaben zu verteilen. Die Aufgabenstellung ist nicht klar. Und was nicht klar ist oder nur in meinem Kopf existiert, kann ich verdammt schwer abgeben. Die Eine oder der Andere kennt es vielleicht: man fühlt sich, als wäre man mit seinem Partner in einer Chef-Aushilfe-Konstellation gefangen. Fürchterlich!
- DIE EIGENEN ANTREIBER. Mütter neigen dazu, den Anspruch an Perfektion förmlich zu inhalieren. Ich bin keine Freundin von Geschlechterklischees, gleichzeitig habe ich NOCH NIE einen Vater so ausgiebig darüber sprechen hören, was einen guten Vater ausmacht und dass es zum 3. Geburtstag mindestens die Paw-Patrol-Megatorte braucht. Wirklich NIE! Es wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, dass sich diese Väter mal outen. Parallel hören wir Mütter mit diesen überzogenen Ansprüchen auf.
Tatsächlich spielen solche Antreiber („Sei perfekt!“ oder „Mach` es allen recht!“,…) eine große Rolle. Zudem verstecken sie sich gern und sind uns nicht immer so richtig bewusst. Im Coaching begegnen sie mir immer wieder und das sorgt jedes Mal für AHA-Momente. Zum Glück lassen sie mit sich reden, die Antreiber, wenn man sie gut behandelt. 😉
Ein Exit-Szenario
Kleine Bestandsaufnahme: was wissen wir?
- Mental Load ist deshalb so schwer, weil ein Großteil der Last unsichtbar, aber ziemlich deutlich spürbar ist.
- Das macht es für uns extrem schwierig, Aufgaben abzugeben. Es ist nicht damit getan, eine einfache Todo-Liste zu schreiben und weiterzuleiten.
- Und hinzu kommt, dass ein Großteil von uns mit zu hohen Ansprüchen durchs Leben geht, was oft auf innere Antreiber wie „Sei perfekt!“ oder „Mach´ es allen recht!“ zurückzuführen ist.
Also, einfach ein bisschen entspannen, die Welt gelassener sehen und die Ansprüche runterschrauben, oder? NEIN, NEIN und nochmal NEIN. Ich lüfte mal ein Geheimnis an der Stelle: wir sind keine Maschinen. Wir entspannen uns nicht auf Knopfdruck und Antreiber lösen sich nicht in Luft auf. Würde das so easy funktionieren, hätten wir einen stichhaltigen Beweis dafür, dass all unsere Gefühle falsch sind. Und das sind sie nicht.
💗 Alle Gefühle sind okay, denn sie zeigen uns den Weg zu unseren Bedürfnissen und den dahinter liegenden Werten. 💗
Wie kommen wir aus der Nummer jetzt raus? Indem wir ein kleines Experiment wagen und unseren Alltag mal wie ein Projekt begreifen: mit Aufgaben, Abhängigkeiten, Deadlines und Verantwortlichkeiten. Klingt unromantisch und irgendwie so sachlich? Joah, aber mir ist auch nicht klar, wo genau sich der Romantik-Anteil beim Mental Load verstecken soll. Ich hab mir das Ding angeschaut, ich konnte nix erkennen.
Also los, Ihr Projektmanager:innen, stellt Euch mal folgende Fragen:
- Was möchte ich im Alltag?
- Welche Aufgaben gibt es? In welche Bereiche fallen sie?
- Wo gibt es Abhängigkeiten?
- Welche Aufgaben sind fix und/oder wiederkehrend?
- Wer ist im Team? Und wer bringt welche Fähigkeiten und Interessen mit? Wer hat wieviel Zeit?
Das ist jetzt keine Verpflichtung für die nächsten 30 Jahre. Versucht es doch einfach mal für 3 Wochen und schaut wo Ihr damit landet. Ihr beantwortet gemeinsam die Fragen und schaut 1x pro Woche zusammen drauf.
Wenn’s blöd läuft, passiert Nix. Alles bleibt, wie es war. Wenn’s gut läuft, sammelt Ihr Erkenntnisse und findet gemeinsam Lösungen. Könnte also auch cool werden. Obacht!
Da ich mich immer über Impulse und Austausch freue, würde mich interessieren, welche Erfahrungen Du bisher zu dem Thema Mental Load gemacht hast. Wie gehst Du damit um?
Ich freue mich über einen Kommentar oder eine Nachricht von Dir.
Bleibt rosa.
Eure Ramona
Liebe Ramona,
wieder so ein Artikel mit Inhalt, den ich selbst immer wieder gespürt habe und auch gefühlt schon alles versucht habe, um den Kopf freier zu kriegen.
Meine aktuelle Lösung (aktuell deshalb, weil es vielleicht nicht für immer funktioniert, sondern mir nächste Woche schon wieder was anderes einfällt) sieht so aus, dass ich mir relativ wenig aufschreibe, nur die Termine, die wir alle so haben, in einem Familienkalender.
Alles andere habe ich tatsächlich im Kopf, aber nicht für die nächsten 128 Tage, sondern immer nur für heute und maximal noch für morgen, falls es etwas ist, das vorbereitet werden muss. Die übrigen Sachen lösche ich aus dem Kopf, indem sie einen Eintrag in unserem Familienkalender bekommen, wo auch mein Mann Zugriff hat und sich gerne auch die ein oder andere Aufgabe rausziehen kann, wenn es gerade passt. Er braucht diese Dinge vor Augen – im Kalender – und ich als Mama und Familienmanagerin (ich mag das Wort eigentlich nicht besonders, denn jeder managet sich selbst nach seinen Möglichkeiten und nicht ich für alle) hab das, was heute ansteht, im Kopf. Es ist befreiend, nur den heutigen Tag im Kopf zu planen und zu wissen, was zu tun ist. Und eins habe ich mir ganz wichtig vorgenommen: es soll Zeiten geben an jedem Tag, wo wir gemeinsam lachen, Spaß haben und auch jeder machen kann, was er möchte, damit eben der Tag nicht nur aus MUSS und SOLL sondern auch aus KANN und DARF und MÖCHTE besteht.
Das P,.S, gefällt mir übrigens am allerbesten, denn in der anfänglichen Stillzeit und Schwangerschaft hatte ich wirklich die ernsthafte Befürchtung, mir nie wieder irgendetwas merken zu können. Aber damit bin ich zum Glück nicht allein und es ist zumindest besser geworden. Jetzt ist es das Alter, das die Befürchtung bestärkt :-D
Liebe Grüße, Renate
Ich persönlich hasse es eigentlich, das Familienleben wie ein Arbeitsprojekt zu managen, löse Themen dann aber durchaus genau so. Weil es – wie du ja richtig schreibst – funktioniert. Mein Credo ist allerdings:
(1) Ich spreche ganz bewusst in der Familie nicht von Projekten, Arbeit, Deadlines, Priorisierungen, Abhängigkeiten, Bereiche, Zuständigkeiten, etc. Sprache schafft Wirklichkeit und ich möchte über das Familienleben so nicht sprechen. Es soll lockerer, emotionaler, etc. sein und damit auch bewusst einen Kontrast zur Arbeitswelt bilden.
(2) Meine To Do/Erinnerungslisten sind kleine handgeschriebene Zettel mit wenigen Punkten. Es dürfen max. 5-7 drauf sein und das muss wiederspiegeln, was ich realistisch schaffe (ist das jetzt agil?). Was nicht drauf aber dennoch wichtig ist, bleibt Kopf, wenn es nicht wichtig/weltbewegend ist, macht es nix, wenn es nicht auf dem Zettel und auch nicht im Kopf bleibt. Ist also ein etwas freiheitlicherer, strukturarmerer Umgang mit diesem „Mental Load“. Ein Vertrauen ins eigene Hirn und den Lauf der Dinge.
(3) Wenn ich merke, dass mich der Mental Load zu erdrücken beginnt, schiebe ich ihn auch mal auf für einen oder ein paar Tage auf einen Parkplatz – und lebe stattdessen einfach nur das, was ich gerade will und genieße (natürlich mit und in Abstimmung mit der Family)
Schöne Grüße,
Jan
Lieber Jan, danke für Deinen ausführlichen Kommentar und den kleinen Einblick, wie Ihr das so handhabt. Hass ist ja schon ein ganz schön großes Wort. :) Gleichzeitig weiß ich, glaube ich, was Du meinst. Dieses typische Wording aus der Arbeitswelt kann dem Bereich Familie etwas von seiner Wärme und seiner Natürlichkeit bzw. Unberührtheit nehmen. Hängt sicher auch davon ab, welche Erfahrungen man selbst in der Arbeitswelt damit gemacht hat.
Nun steht es ja jeder Familie frei, die für sie passenden Begriffe zu verwenden. Ich nutze sie in dem Beitrag bewusst, weil damit recht unmissverständlich klar ist, was gemeint ist. Ebenso gibt es vermutlich auch unterschiedliche Herangehensweisen, mit welchen Hilfsmitteln man arbeitet. Bei Euch sind es kleine handgeschriebene Zettel, andere organisieren sich mit Hilfe von Apps. Hier gibt es ja wirklich zahlreiche Möglichkeiten und jede Familie kann da ihren Weg finden.
Was ich sehr wichtig finde, ist der Schritt VORHER, also das Bewusstmachen und Erkennen, dass es so etwas wie Mental Load überhaupt gibt. Das gestehen sich viele Menschen, v.a. Eltern (Mental Load ist kein reines Elternthema) nicht ein. Weil sie glauben, das muss alles so sein und früher ging das ja auch alles irgendwie oder andere schaffen das doch auch (ist meiner Erfahrung nach meistens ein Trugschluss bzw. nur eine Momentaufnahme)… Es stecken da oft viele Glaubenssätze drin, die alle in die gleiche Kerbe schlagen „Weitermachen! Da musst du jetzt durch!“.
Ich wünsche mir, dass für diese Last und die durch sie verursachten Gefühle Platz gemacht wird. Denn dadurch entstehen neue Möglichkeiten damit umzugehen, wie auch immer sie dann aussehen.
Herzliche Grüße, Ramona
P.S.: Das Vertrauen ins eigene Gehirn verlierst Du nach Jahren mit unterbrochenen/durchstillten Nächten. Zumindest temporär. :)