Wenn wir an Familien und Wut denken, dann haben die meisten im ersten Moment das Bild von einem 2-3-jährigen Kind im Kopf, das sich im Supermarkt auf den Boden wirft, weil es die Schokolade oder die Zeitschrift nicht bekommt. Und ja, DIESE Wut gibt es auch, wir wissen das vermutlich alle, aber die soll heute nicht im Fokus stehen. Wir schauen uns stattdessen an, was elterliche Wut überhaupt ist.

Es gibt ja nicht DIE EINE Wut. Jede:r ist anders wütend. Wie zeigt sie sich also genau, die Wut? Und in welchen Situationen, also WANN werden wir wütend? Ich werde darauf eingehen, was DANACH kommt, also wie wir aus dieser Wut wieder rauskommen. Das ist nämlich der Punkt, der meistens recht nebulös wird, weil die Wut immer noch ein ziemlich schlechtes Image hat und wir uns deshalb nur bedingt damit auseinandersetzen. Also, stellen wir einfach mal eine Lampe in diese Ecke. Und hier schauen wir auch mal, welche Möglichkeiten es gibt, mit dem eigenen Kind darüber zu sprechen. Die sind ja ganz oft dabei, wenn wir wütend sind und je nach Alter mehr oder weniger irritiert, was da mit Papa oder Mama so los ist. Vielleicht findest du etwas, was du beim nächsten Mal gleich ausprobieren magst.

 


Falls du den Beitrag lieber hören statt lesen willst, dann höre dir die Podcastfolge „Elterliche Wut“ an:


 

 

Was ist elterliche Wut? Wie zeigt sie sich? 

Über elterliche Wut wird immer mal wieder gesprochen, aber in meiner Wahrnehmung ist das noch viel zu selten der Fall. Wenn, dann eher in einem – ich sag mal – gesellschaftlich akzeptierten Kontext. Das ist ein bisschen wie bei der Trauer. Wenn ein geliebter Mensch stirbt, dürfen, ja MÜSSEN wir sogar trauern, aber bitte nur ein Jahr. Dann ist auch wieder gut. Und bei der elterlichen Wut ist es so, dass spätestens seit der Pandemie es immer mehr akzeptiert ist, wenn sich Eltern über zu wenig Kitaplätze aufregen oder die Unvereinbarkeit von Beruf und Familie. Weil immer deutlicher wird, mit welche heißer Nadel dieses System gestrickt ist. Wichtig: Ich rede hier von Tendenzen, von einem „immer mehr“, nicht davon, dass das schon völlig normal ist mit dem Aufregen über die Rahmenbedingungen.

Die elterliche Wut verschwindet dann in einer dunklen Ecke, wenn wir aus dem gesellschaftlichen Rahmen raus und ins Persönliche reingehen, wir also wütend auf unser Kind sind. Ich sag das jetzt bewusst so, weil es das ist, was noch sehr weit verbreitet in unseren Köpfen drin ist: unser Kind MACHT uns wütend. Es TREIBT uns zur Weißglut. Wir produzieren da so ganz einfache Reiz-Reaktions-Ketten: Kind macht A (z.B. verschüttet das Glas Wasser) und wir reagieren mit B (wir werden wütend) > „Kannst du nicht aufpassen!“. Daraus folgern wir: das Kind, das das Wasser verschüttet, macht uns wütend. 

Jetzt ist es so, dass das Konzept der Bedürfnisorientierung immer mehr den Weg in unser Elternsein gefunden hat. Das ist einerseits ganz wunderbar, weil wir dadurch einen ganz anderen Zugang zu dem bekommen, was wir als Menschen wirklich brauchen. Gleichzeitig gab und gibt es da immer wieder sehr viel Missverständnis bzw. eher eine falsche Interpretation, weil die Bedürfnisorientierung sich viel am Kind ausrichtet, also an seinen Bedürfnissen und die elterlichen Bedürfnissen hinten runterfallen.

Dann kommen wir in die Bredouille, dass wir wütend sind, was eigentlich auf ein Bedürfnis hinweist, wir das aber nicht zulassen können, weil wir den Fokus so sehr oder gar ausschließlich auf die kindlichen Bedürfnisse richten. Das mag anfangs, wenn wir ein kleines Baby auf dem Arm haben, noch sinnvoll sein und gut funktionieren. Aber wer ältere Kinder hat, hat vielleicht auch schon gemerkt, dass diese Rechnung auf Dauer nicht aufgehen kann. Und dann haben wir eine Art ein Brandbeschleuniger in unserem Alltag, der uns immer öfter in die Wut treibt. Dabei bleibt es meist nicht, denn dazu kommt ganz oft noch die Scham. Wir schämen uns, weil wir wütend auf unser Kind sind, weil wir vielleicht laut geworden sind. Aber es hat uns halt so verdammt wütend gemacht… 

An der Stelle mag ich gerne schon mal vorgreifen und dir sagen: es ist nicht dein Kind, das dich wütend macht. Ich zeig´s dir gleich an einem konkreten Beispiel.

 

Wann werden wir eigentlich wütend?

Diese Frage habe ich kürzlich auch meinen Follower:innen auf Instagram gestellt. Und ich möchte einfach mal ganz o-ton-mäßig ein paar Antworten dazu vorlesen. Vielleicht findest du dich in der einen oder anderen Situation ja auch wieder.

    • „Bei der Einschlafbegleitung, die dauert grad immer ewig, unter 1-2 Stunden komm ich nicht raus.“
    • „Wenn das Kind nicht so „funktioniert“, wie ich mir das in dem Moment vorstelle.“
    • „Morgens, unser Ablauf ist total chaotisch. Immer auf den letzten Drücker.“
    • „Wenn meine Eltern sich ungefragt in die Erziehung einmischen.“
    • „Wenn ich das Gefühl habe, dass mal wieder alles an mir hängen bleibt. Mental Load lässt grüßen.“

Das waren ein paar ausgewählte Antworten, die im Wesentlichen die Bereiche oder Situationen abdecken, die immer wieder genannt wurden und die auch in meinen Coachings mit Eltern immer wieder ein Thema sind. Vielleicht hast du dich auch schon in der einen oder anderen Situation wieder gefunden und dein persönlicher Kinofilm läuft bereits. ;). Ich möchte jetzt gerne mal auf eine ganz konkrete Situation schauen, um zu verstehen, was da genau passiert. Es kann sein, dass sie nicht oder nicht ganz so zu deiner aktuellen Lebensrealität passt. Das ist tatsächlich zweitrangig, weil der Ablauf meist ähnlich ist und der Inhalt schon fast beliebig ist. Du kannst das folgende Beispiel wie eine kleine Blaupause sehen.

 

Ein Klassiker der Wut-Situationen: Die Einschlafbegleitung

Spielen wir also einen kleinen Kurzfilm hier ab. Der Film heißt „Das nichtschlafende Kind“ und dreht sich um die Einschlafbegleitung, die gefühlt niemals mehr enden wird. Was ist in diesem Setting los? Es ist Abend, alle haben gegessen und sind mehr oder weniger satt. Nach dem Essen gibt es noch ein kleines Abendritual, z.B. ein Buch lesen, eine Runde Karten spielen oder sich gemeinsam vom Tag erzählen. Danach heißt es umziehen und Zähne putzen. Du legst dich mit deinem Kind, das von dir einschlafbegleitet wird, hin, vielleicht gibt es noch eine kleine Geschichte zum Anhören. So weit, idyllisch, so gut.

Ich weiß – auch aus eigener Erfahrung -, dass es allein bis dahin schon etwa 8 kritische Punkte gibt, an denen wir wütend werden können, aber wir konzentrieren uns in diesem Kurzfilm ganz bewusst auf die Szene Einschlafbegleitung. Also, bis jetzt lief alles wie geschnitten Brot und plötzlich verändert sich etwas, denn: Das Kind schläft einfach nicht ein. Und wir sprechen hier nicht von „Das dauert heute mal 15 Minuten länger als sonst.“, sondern es geht um die Tage, an denen so eine Einschlafbegleitung auch mal 1-2 Stunden geht. Manchmal wünsche ICH mir, ich wüsste es vorher, glaube aber, dass das an manchen Tagen trotzdem nix ändert.

Ich weiß nicht, wie gut du dich gerade in dieser Szene sehen kannst, wie du neben deinem Kind im Bett liegst, das nicht zur Ruhe findet. Es dreht sich vielleicht hin und her oder muss ständig etwas anderes: nochmal aufs Klo, was trinken, was essen, weil doch noch Hunger, die Autos nochmal umsortieren, der Mama oder dem Papa im Wohnzimmer unbedingt noch etwas sagen,… Die Bandbreite an Statt-schlafen-Aktivitäten ist ja wirklich enorm. 

Und nun liegst du da oder stehst wahlweise auch wieder auf und merkst, wie etwas in dir hochkrabbelt. Anfangs versuchst du noch Ruhe zu bewahren, cool zu bleiben, entspannt zu sein. Vielleicht hast du auch schon mal gehört, dass es für Kinder schwierig ist in den Schlaf zu finden, wenn man als Eltern total unruhig daneben liegt. Klingt ja auch total logisch, hilft dir leider wenig, diese Erkenntnis, die ja in deinem Kopf ist, wenn dieses Gefühl anfängt sich in dir breit zu machen. Ok, du atmest jetzt. Ganz bewusst. Tiefe Atemzüge. Soll helfen. Tut es ab und an auch, nur heute nicht.

Und während du atmest, meldet sich eine kleine, leicht genervte Stimme in dir „Ich will meine Ruhe haben!“. „Ja, ist gleich soweit“, sagt eine andere Stimme in dir „ENTSPANN DICH. Wenn das Kind nicht schläft, wird das nie was mit dem wohlverdienten Feierabend.“ Tja, vielleicht kommt sogar noch eine weitere Stimme dazu, die sagt: „Wieso kriege ich das eigentlich nie hin mit der Einschlafbegleitung? Immer, wenn ich unser Kind ins Bett bringe, braucht es ewig zum Einschlafen.“.

Und plötzlich tobt in dir ein kleiner Krieg. Stimmen, die immer wilder durcheinander reden, streiten, immer lauter werden, denn jede will unbedingt Recht habenJe lauter sie werden, umso stärker wird das Gefühl in dir, das immer weiter hoch steigt. Und dann kommt der Punkt, wo du rufst oder anderweitig deutlich machst „ES REICHT JETZT!!!“. Peng, Kessel explodiert. 

 

Zoomen wir mal raus.

Bevor uns unser kleiner Kurzfilm tatsächlich noch in Rage versetzt, nehmen wir mal die Kamera in die Hand und zoomen ein bisschen raus. Dann können wir besser sehen, was da passiert. Da ist ein Kind, das versucht zu schlafen, schafft es nicht und stattdessen tut es irgendetwas anderes. Daneben ist ein erwachsener Mensch, der versucht, den inneren Kampf in sich zu beenden, schafft es nicht und geht stattdessen an die Decke.

Wenn wir so draufschauen, dann sehen wir ganz deutlich, dass da zwei Menschen den Kontakt miteinander verloren haben. Jeder kämpft quasi für sich und ist eigentlich gar nicht in der Lage, sich auf den anderen einzulassen. Selbst dann, wenn wir anfangen zu schimpfen oder so wenig hilfreiche Sätze sagen „Jetzt gib doch endlich mal Ruhe!“ oder „Wieso kannst du nicht einfach einschlafen?“, sind wir viel viel weniger bei unserem Kind als wir denken.

 

Wie kommen wir aus der Wut wieder raus?

Die kurze Antwort: es kommt darauf an. Und zwar darauf, wie wir mit dieser Wut umgehen. Auch darauf, wie bewusst wir sie überhaupt wahrnehmen können. Es ist verdammt einfach daher gesagt, man soll die eigenen Gefühle wahrnehmen und spüren und sich mit ihnen auseinandersetzen. Nur – und das weiß ich auch aus meinen Coachings – kann das nicht jeder Mensch gleich gut – aus unterschiedlichsten Gründen. Und deshalb mag ich solche Beispiele wie das von der Einschlafbegleitung, die ich so konkret wie möglich darstelle, damit du für dich einen Anknüpfungspunkt finden kannst. Deshalb mache ich jetzt weiter mit dem Ende unseres Kurzfilms.

So, wie kann diese verzwickte Situation weitergehen? Ich würde mal sagen, in vielen Fällen ist es so, dass du Dampf ablässt, indem du schreist „ES REICHT JETZT!“. Damit du fühlst dich zwar besser, weil der immense Druck raus ist. Gleichzeitig hast du ein schlechtes Gewissen deinem Kind gegenüber, weil du z.B. laut geworden bist. Weil du weißt, dass du quasi Unmögliches erwartest, wenn du sagst „Jetzt gib doch endlich mal Ruhe!“.

Und Vorsicht, hier liegt eine kleine Stolperfalle, die deinen Kessel gleich wieder befeuern kann. Wenn du dir jetzt Vorwürfe machst, weil du dich deinem Kind gegenüber so verhalten hast, dann ist es gut möglich, dass du wieder wütend wirst. Auf dich! Und glaub mir, auch dann wird das mit der ruhigen Einschlafbegleitung echt schwierig, weil du in diesem sehr starken Gefühlszustand fest hängst oder dich immer weiter rein schraubst. Sicherlich wird dein Kind dann irgendwann in den Schlaf finden. Aber die Frage ist, wie steinig der Weg bis dahin noch ist.

Ich zeige dir mal zwei Varianten und du schaust, ob eine davon als Alternative für dich in Frage kommt.

  • Variante 1: Du verschaffst dir einen Abstand, eine Art Pause und gehst z.B. aus der Situation raus. Dann ist zwar auch erstmal nicht an Schlaf zu denken, aber du durchbrichst diesen schon fast vorhersehbaren Ablauf, den ich eben beschrieben habe und der meistens in Streit und Tränen endet. Und an der Stelle möchte ich wirklich darauf hinweisen, wie wirkungsvoll es tatsächlich sein kann, aus einer verzwickten Situation RAUSZUGEHEN, also wirklich im physischen Sinne. Je nach Alter des Kindes musst du schauen, ob du es, NACHDEM du das kurz kommuniziert hast, für einen Moment alleine lassen kannst oder ggf. deine Partnerin/deinen Partner dazu holst.  Was du zu deinem Kind sagen kannst, dazu kommen wir gleich noch. Alternativ kannst du auch mit dem mitgehen, was das Kind grad vorhat, also z.B. noch eine Banane essen oder kurz die Autos umsortieren. Im Ernst, es kostet in der Regel soviel mehr Kraft, Zeit und Nerven, diesen kleinen Schlenker im abendlichen Ablauf zu verhindern als ihn zuzulassen. Jedenfalls kann sich das Einlassen aufs Kind beruhigend auf dich auswirken, weil du in dem Moment wieder die Verbindung herstellst, die euch abhanden gekommen ist.
  • Variante 2: Du brichst die Einschlafbegleitung ab und übergibst an deine Partnerin/deinen Partner. Das ist völlig legitim und kein Versagen an der Stelle. Vielmehr sehe ich das als eine sehr gesunde Entscheidung zu sagen „Das funktioniert heute so nicht. Morgen ist ein anderer Tag. Bitte übernimm´ du das.“. Ich weiß, diese Variante hat ihre Tücken. Zum Einen, braucht es eine Partnerin oder einen Partner, die/der verfügbar ist. Vielleicht ist er/sie an diesem Abend grad unterwegs oder du bist alleinerziehend. Dann ist diese Option keine. Dann geh zurück zu Variante 1. Die zweite Tücke ist, dass Kinder durchaus ihre Präferenzen haben, wer sie in den Schlaf begleiten soll, und das auch sehr deutlich kundtun können. Hier gibt es kein Patentrezept, kein Richtig oder Falsch. Wenn du das Gefühl hast, die Übergabe wird nicht funktionieren, dann versuche es gar nicht erst. Sonst seid ihr am Ende zwei wütende Erwachsene und ich glaub nicht, dass mehr Wut mehr bringt. Wenn du spürst „Ok, das wird für das Kind schwieriger, aber meine Partnerin/mein Partner schafft das.“, dann einmal kurzes Übergabeprotokoll und gut isses.

 

Und was ist danach?

FAST. Wir lassen unabhängig davon, welches Ende unser Kurzfilm tatsächlich hat, eines ganz oft aus: Die Auseinandersetzung mit dem, was da passiert, im Nachhinein. Wäre unser Kurzfilm ein Buch, kämen wir jetzt zum Epilog, dem Schlusswort oder der Nachrede. Beim Epilog geht es nämlich um Gedanken, die im eigentlichen Werk – also unserem Kurzfilm – nicht ausreichend beleuchtet wurden. Der Grund, warum wir das ganz gerne lassen, liegt auf der Hand: wir sind k.o., erledigt, wollen nur noch auf die Couch vor den Fernseher oder ein bisschen was lesen. Das, was wir ja die ganze Zeit schon wollten und was nicht stattfinden konnte, weil das Kind nicht einschlafen konnte.

Und darin steckt eine große Erkenntnis darüber, was uns so wütend gemacht hat. Es war nicht das nichtschlafende Kind, es war das unerfüllte Bedürfnis nach z.B. Ruhe oder das unerfüllte Bedürfnis nach Entspannung im Sinne von nicht mehr zuständig oder verantwortlich sein müssen.

An diesen Bedürfnissen ist nichts falsch, die kann uns niemand in Abrede stellen. Die Frage ist vielmehr:

  • Was für Möglichkeiten habe ich NOCH, mir ein bestimmtes Bedürfnis zu erfüllen?
  • Was kann ich verändern in meinem Alltag?

 

Wunsch und Bedürfnis

Es ist NICHT Aufgabe oder Verantwortung des Kindes schnell einzuschlafen, damit ich ab auf die Couch kann. Wenn eines meiner Bedürfnisse so groß ist, dass es sich immer wieder meldet, dann ist es an mir, Wege zu finden, damit das erfüllt wird. Dass das Kind schnell in den Schlaf findet, das ist unser WUNSCH.

Und diese beiden Dinge – Wunsch und Bedürfnis – verwechseln wir wahnsinnig oft. Bei uns, aber auch bei unseren Kindern. Es ist auch nicht immer einfach, das genau herauszuarbeiten, was was ist. Es kommt nicht von ungefähr, dass ich für so etwas mit Klienten eine ganze Coachingsitzung verwende, um für EINE Situation zu erkennen, was der Wunsch und was das Bedürfnis ist. Aber es lohnt sich, denn wenn man das verstanden hat und immer wieder übt im Alltag, klappt das immer besser. Sowohl bei uns, als auch bei unseren Kindern, weil wir ihnen vorleben, wie das ist mit diesen Bedürfnissen.

Und wie kann das mit dem Vorleben aussehen? Indem wir versuchen, Worte zu finden und mit unserem Kind sprechen. Je kleiner das Kind, umso einfacher und kürzer sollten die Sätze sein, aber sprechen ist in meiner Wahrnehmung von Anfang an eine gute Idee. Und wenn wir es, weil unser Kind noch ein Baby ist, mehr zu uns selbst sagen.

Mehr zum Thema Wunsch vs. Bedürfnis kannst du hier lesen: Bedürfnis versus Wunsch – Vom Wollen und Brauchen

 

Was du sagen kannst

Wenn wir uns den Kurzfilm nochmal im Zeitraffer anschauen, gibt es mehrere Punkte, an denen wir über die Wut sprechen können. In der Regel reicht es, an EINEM Punkt darüber zu sprechen. Im Nachfolgenden also eine ODER-Liste, keine UND-Liste:

  • Möglichkeit 1: du liegst neben deinem Kind im Bett und spürst die Wut hochkommen. Also, wenn du das Gefühl wahrnehmen und quasi von außen beobachten kannst, dann sag vielleicht etwas wie „Puh, ich merke, ich werde grad ziemlich unruhig hier. Das hilft dir nicht beim Einschlafen. Lass uns noch ein Buch zusammen lesen.“
  • Möglichkeit 2: du bist gefühlsmäßig schon weiter und du merkst, du musst hier raus, sonst explodierst du. Dann kannst du sagen „Ich bin müde und mir fällt es heute richtig schwer dich in den Schlaf zu begleiten. Ich geh kurz in die Küche und trinke noch ein Glas Wasser. Dann komme ich zu dir zurück.“
  • Möglichkeit 3: du musst definitiv abbrechen und an die Partnerin/den Partner übergeben. Dann kannst du sagen „Ich bin heute viel zu aufgewühlt, um dich in Ruhe in den Schlaf zu begleiten. Ich hol jetzt die Mama/den Papa. Such doch schon mal ein Buch aus, das sie/er dir gleich vorlesen kann.“
  • Möglichkeit 4: für den Fall, dass die Situation in Streit und Tränen geendet ist und dein Kind irgendwann erschöpft eingeschlafen ist, kannst du das auch am nächsten Tag nochmal ansprechen „Ich war gestern Abend wütend, weil ich selbst so müde war. Deshalb konnte ich dich nicht so in den Schlaf begleiten, wie du es gebraucht hättest. Ich gehe heute auch mal früher ins Bett.“

Das sind Beispiele und keine perfekten Sätze, die in jeder Situation passend sind. Das heißt, formuliere sie gerne auch so um, wie sie für dich passen. Das Wichtigste ist, deinem Kind zu signalisieren „Du bist nicht falsch, wenn du lange brauchst zum Einschlafen. Es ist meine Verantwortung als dein Papa/deine Mama, dass ich dich so begleiten kann, wie du es brauchst. Und wenn meine Erschöpfung zu groß ist und ich deswegen wütend werde, dann muss ich etwas dagegen unternehmen.“. Und es geht nicht darum, dass das beim nächsten Mal dann perfekt funktionieren muss, sondern darum, dass wir wissen und auch unser Kind weiß bzw. spürt, wo die Verantwortung liegt.

Das ist dann letztendlich auch der Weg, der uns aus solch verzwickten Situationen rausführt: indem wir kurz die Verbindung zu uns selbst herstellen, dadurch wieder die Verantwortung übernehmen und anschließend den Kontakt zu unserem Kind suchen. Dann kann sich unser Kind auch wieder sicher fühlen, selbst dann, wenn wir mal wütend sind. Weil es merkt, wo die Wut hingehört und dass sich die Mama oder Papa darum kümmern wird. Ein Freund hat mir kürzlich die Frage gestellt: „Habe ich das Recht, vor meinem Kind wütend zu sein?“. Ich sage ganz klar JA. Es geht nämlich nicht darum, OB Wut ok ist, sondern WIE Wut ok ist. Also, wie ich damit umgehe und welchen Umgang ich damit auch meinem Kind vermittle. Ich hoffe, ich konnte dir heute für genau dieses WIE ein paar Impulse mitgeben, wie du künftig in solchen Situationen mit deiner Wut umgehen kannst.

 


Zum Abschluss möchte ich dir eine ganz konkrete Frage mitgeben, die du dir jetzt oder in einer ruhigen Minute beantworten kannst. Heute habe ich folgende Frage für dich:

Stell´ dir eine für dich typische Situation vor, in der du als Mutter oder Vater „ganz gerne“ mal wütend wirst. Wie kannst du beim nächsten Mal damit umgehen? Was wirst du konkret tun?

Vielleicht magst du dir ein paar Gedanken dazu aufschreiben. Ich wünsche dir jedenfalls spannende Erkenntnisse und freue mich, wenn du sie mit mir teilst.

 

Bleibt rosa.
Eure Ramona