Wenn du Kinder hast – und das nehme ich an, sonst wärst du vermutlich nicht hier gelandet – dann ist dir das Wort NEIN bestimmt sehr geläufig. Und eben weil es so einen starken Einfluss auf unser Miteinander hat, möchte ich das Wort NEIN gemeinsam mit dir genauer anschauen. Dabei gehe ich auf folgende Fragen ein: Wer sagt NEIN? Und was macht das für einen Unterschied? Wann sagen wir NEIN? Und wie tun wir das genau? Was meinen wir EIGENTLICH, wenn wir NEIN sagen? Gibt es sowas wie ein gutes und ein schlechtes NEIN? Und zuletzt Wie können wir noch NEIN sagen?

Ich hoffe, du bekommst damit nochmal einen ganz neuen und frischen Blick auf diese 4 Buchstaben, die an manchen Tagen durchaus darüber entscheiden können, ob dieser Tag eher auf unserer Hit oder der Shitlist landen.

 


Falls du den Beitrag lieber hören statt lesen willst, dann höre dir die Podcastfolge „NEIN! – 4 Buchstaben und ihre Auswirkungen auf die Eltern-Kind-Beziehung“ an:


 

Wer sagt NEIN? Und was macht das für einen Unterschied?

Die Idee für diesen Beitrag kam von meinen Kindern. Ich hatte selbst zu viele Ideen im Kopf, worüber ich dir etwas erzählen möchte, dass ich sie schlicht und ergreifend gefragt habe, welches Thema sie gut fänden. Die Antwort kam sehr schnell, ok, für meinen Geschmack vielleicht etwas ZU schnell. „Erzähl doch was darüber, dass Eltern so oft NEIN sagen.“. Ich versuche jetzt an dieser Stelle gar nicht meine Ehre als Mutter zu retten und bin ehrlich: auch bei uns fliegt schneller mal ein NEIN um die Ohren als uns lieb ist. Deshalb mache ich diesen Beitrag vermutlich nicht nur für dich und euch, sondern auch für uns hier.

Schauen wir uns doch zuallererst mal an, WER hier NEIN sagt. Denn das sind ja nicht nur die Eltern. Kinder sagen in einer gewissen Altersspanne sehr deutlich und oft auch sehr laut NEIN. Ich hab vor ein paar Tagen den neuen Film von Domenik Schuster von Good Enough Parents angesehen. Er heißt „Liebe, Wut und Milchzähne“ und in diesem Film kam das Wort NEIN sehr oft von seinem Sohn. Wir kennen das hier auch und du sicherlich auch: wenn die Autonomiephase beim Kind beginnt, dann sprudeln die NEINs aus dem Kind nur so raus.

Also, ist es wichtig, dass wir hier bei dieser Frage und auch bei allen weiteren Fragen unterscheiden, wer NEIN sagt: das können – wenn wir rein beim familiären Kontext bleiben – also wir Erwachsene sein oder eben unser Kind. Stellt sich die Frage, was das für einen Unterschied macht. Das heißt konkret, gehen wir mit einem NEIN unserer Partnerin/unseres Partners anders um als mit dem NEIN unseres Kindes. Und ich glaube, auch wenn uns die Antwort vielleicht nicht so ganz schmeckt: wir tun das und zwar immer noch viel zu oft. Dafür gibt es auch einen Fachbegriff, der lautet Adultismus und bezeichnet die Machtungleichheit zwischen Erwachsenen und Kindern und damit verbunden die Diskriminierung jüngerer Menschen aufgrund ihres Alters. An der Stelle sei das nur mal kurz erwähnt, denn dazu wird es einen eigenen Beitrag geben.

Natürlich müssen wir beim NEIN unseres Kindes immer im Blick behalten, über welche Situation wir sprechen. Die Frage nach dem Umgang damit können wir nicht im luftleeren Raum stehen lassen und einfach pauschal beantworten. Wenn wir z.B. mit unserem 2-jährigen Kind eine vielbefahrene Straße überqueren und dafür seine Hand nehmen wollen, es aber entschieden „NEIN!“ sagt, kann das was anderes sein als wenn wir ihm die Zähne putzen möchten und es das verweigert.

Im ersten Fall kann es um Leib und Leben gehen und wir müssen unserer Verantwortung nachkommen, dass wir alles tun, damit die Sicherheit und der Schutz unseres Kindes gewährleistet ist. Und somit kann es notwendig sein, über dieses NEIN hinwegzugehen und unser Kind an die Hand zu nehmen. Wichtig ist hier, dass wir die Verantwortung bei uns lassen und nicht unser Kind beschämen, indem wir sagen „Du bist noch zu klein, um alleine über diese Straße zu gehen.“. Was wir stattdessen sagen können, darauf komme ich später nochmal zurück.

Das andere Beispiel mit dem Zähneputzen ist ja ein wahrer Evergreen unter den Konfliktsituationen zwischen Eltern und Kind. Das wird übrigens sehr anschaulich in dem Film von Domenik Schuster gezeigt, den ich euch vorher genannt habe. Kurzer Einschub: das ist keine beauftragte und keine bezahlte Werbung, sondern einfach eine ganz große Empfehlung von Herzen. Wer Interesse an dem Film hat, hier könnt ihr ihn streamen oder als DVD bestellen.

Auch hier bringt unser Kind sein NEIN nicht weniger entschieden zum Ausdruck. Es möchte jetzt keine Zähne putzen. Punkt. Wie ist es denn jetzt? Gehen wir über dieses NEIN hinweg? Besteht hier Gefahr für Leib und Leben? Das eher weniger, aber natürlich wollen wir nicht, dass unser Kind Karies bekommt. Schließlich liegt uns die Gesundheit unseres Kindes am Herzen, es selbst kann die Folgen, wenn es die Zähne nicht putzt, nicht überblicken, also treffen wir die Entscheidung. Aber zu welchem Preis tun wir das, wenn wir körperlich übergriffig werden und das Kind festhalten? Können wir da die Verantwortung wirklich bei uns belassen oder schwingt nicht doch ein „Selbst schuld, du müsstest dir nur gscheit die Zähne putzen lassen“ mit?.

Wenn wir die Situation jetzt weiterspinnen: das mit dem Zähneputzen hat dann doch noch gut geklappt, auch ohne Festhalten. Ein paar Minuten später will das Kind nochmal was essen, vielleicht sogar noch was Süßes und wir sagen NEIN. Das Kind ignoriert das Nein, geht in die Küche und holt sich noch eine Banane. Wie reagieren wir dann? Was macht das mit uns, dass unser NEIN nicht gehört wurde, was in unserer Wahrnehmung ganz schnell bedeutet, dass es nicht ernstgenommen wurde? Wir werden vielleicht sauer und fangen an zu schimpfen, sind irritiert, dass das Kind so wenig auf uns hört. Im Hinterkopf die Stimme der Nachbarin, die letztens sagte „Der tanzt ihnen ganz schön auf der Nase rum!“. 

Aber vielleicht war diese Stimme auch schon in dem Moment da, als unser Kind NEIN zum Zähneputzen sagte. Und vielleicht war da plötzlich ganz unfreiwillig noch eine weitere erwachsene Person mit im Raum, die da gar nicht hingehört (in Form der Stimme der Nachbarin). Und dadurch kommt dieses Ungleichgewicht Kind zu Erwachsene zustande und wir gewichten das NEIN des Kindes automatisch weniger als unseres.

 

Wann sagen wir NEIN? Und wie tun wir das genau?

Wenn wir uns Situationen anschauen, in denen wir als Eltern NEIN sagen, dann gibt es sehr viele verschiedene Momente, in denen wir das tun.

  • Das Kind will noch eine Folge schauen. > „NEIN!“
  • Das Kind hüpft beim Essen mehr rum als das es sitzt. > „NEIN!“
  • Das Kind möchte nochmal ein Eis oder Süßigkeiten. > „NEIN!“
  • Das Kind wirft irgendwas durch die Gegend. > „NEIN!“
  • Das Kinder streiten um ein Spielzeug. > „NEIN!“

Und so weiter, und so fort. Das Spannende daran ist: wir sagen gar nicht immer NEIN und das kann dazu führen, dass wir das Gefühl haben „Naja, so viele Neins gibt es doch gar nicht bei uns.“. Wir sagen stattdessen vielleicht „Hört auf zu streiten.“ oder „Du hattest genug Süßigkeiten.“ oder „Bleib endlich mal sitzen.“. Kein einziges Nein und doch steckt das NEIN drin in der Botschaft.

Denn indirekt vermitteln wir unserem Kind: „Nein, du darfst jetzt nicht wütend sein, wenn dir dein Bruder das Spielzeug wegnimmt.“ oder „Nein, du darfst nicht darüber entscheiden und die Erfahrung machen, wie viele Süßigkeiten dir gut tun.“ oder „Nein, du darfst nicht rumhüpfen, wenn wir am Tisch sitzen.“

Damit tappen wir in eine kleine Falle, denn so wie ich das eben formuliert habe, würden wir das vermutlich NIE sagen. Aber das Entscheidende ist, dass es bei unserem Kind eben genau so ankommt. Gerade kleine Kinder beziehen ihren Selbstwert unmittelbar aus dem, was sie von uns als Eltern gespiegelt bekommen, was sie im Zusammenleben mit uns erfahren, weil ihnen weitere Erfahrungen mit anderen Menschen noch fehlen. 

Bleiben wir bei dem Beispiel mit dem Geschwisterstreit: Wenn bei unserem Kind ankommt „Ich bin wütend, dass mein Bruder mir das Spielzeug weggenommen hat, aber Mama/Papa gibt mir zu verstehen, dass ich das jetzt nicht sein darf.“, dann wird das Kind irgendwann – nach vielen solchen Erfahrungen – anfangen, die Wut zu unterdrücken. „Das Gefühl darf nicht sein. Ich darf so nicht sein.“. Wenn sich diese Erfahrung auf andere Situationen und Lebensbereiche ausdehnt, dann wird es irgendwann nicht mehr für sich und seine Bedürfnisse einstehen. Das ist in der Kürze stark vereinfacht dargestellt, gleichzeitig ist es hilfreich, sich das vor Augen zu führen, weil auch immer die Frage ist, wo wir die Grenze ziehen.

Neben den Situationen, in denen wir NEIN sagen, ohne Nein zu sagen, gibt es noch die Situationen, in denen wir einfach NEIN sagen. Und es dabei belassen, in der Annahme oder Hoffnung, dass unser Kind versteht, was wir meinen. Manchmal rufen wir das unserem Kind auch mit Abstand, quasi aus der Ferne zu, ohne es überhaupt anzuschauen. Das führt z.B. bei kleinen Kindern dazu, dass sie sich gar nicht wirklich angesprochen fühlen. Und überhaupt, was sollen sie denn jetzt mit diesem NEIN anfangen?

Damit kommen wir zu der nächsten Frage.

 

Was meinen wir eigentlich, wenn wir NEIN sagen?

Hier geht es also konkret um die Botschaft, die wir mit dem Nein vermitteln wollen und die, wie wir eben schon gesehen haben, für unser Gegenüber, z.B. für unser Kind nicht immer so offensichtlich ist, wie wir das gerne hätten oder meinen.

Wenn wir den Blick auf das werfen, was wir EIGENTLICH meinen, wenn wir NEIN sagen, dann kommen wir an unseren eigenen Bedürfnissen nicht vorbei. Ich nehme nochmal die Beispiele, die wir schon hatten.

  • Beispiel 1: Die Kinder streiten sich um Spielzeug und eines der Beiden haut vor lautet Wut zu.
    Wenn wir NEIN sagen, dann meinen wir eigentlich sowas wie 

    • „Ich möchte, dass alle unversehrt bleiben. Wenn du deinen Bruder haust, kannst du ihn verletzen.“ oder
    • „Mir ist das zu laut! Ich hatte heute einen sehr langen Tag und ich brauche ganz dringend Ruhe.“ oder aber auch
    • „Ich bin überfordert mit den vielen Streitereien, dabei möchte ich euch als Mama/Papa gut begleiten können. Ich weiß nur nicht, wie.“
  • Beispiel 2: Das Kind hatte eben schon Süßigkeiten und möchte nochmal was.
    Wenn wir NEIN sagen, dann meinen wir eigentlich sowas wie

    • „Ich möchte, dass du gesund bist und bleibst. Wenn du mehr Süßigkeiten isst, mache ich mir Sorgen, dass dir das nicht gut tut.“ oder
    • „Ich habe Angst, dass du – wenn ich dir das jetzt erlaube – jedesmal nach mehr fragst und dann erst recht wütend wirst, wenn ich NEIN sage.“
    • „Ich bin unsicher, wie viele Süßigkeiten für dich wirklich ok sind. Ich möchte, dass es dir gut geht.“
  • Beispiel 3: Das Kind steht beim Abendessen immer wieder auf und hüpft rum oder holt ständig neue Sachen.
    Wenn wir NEIN sagen, dann meinen wir eigentlich sowas wie

    • „Mir ist die gemeinsame Zeit beim Abendessen wichtig, weil wir uns den ganzen Tag nicht gesehen haben. Wenn du die ganze Zeit rumhüpfst, habe ich nicht das Gefühl, dass wir das Essen gemeinsam genießen können.“ oder
    • „Mir ist es wichtig, dass du satt ins Bett gehst. Wenn du beim Essen nicht sitzen bleibst, dann habe ich Sorge, dass du nicht genug zu essen bekommst und nachher der Hunger wieder kommt.“ oder
    • „Mir ist das zu wild und unruhig hier, wenn du ständig in Bewegung bist. Ich mag nach dem anstrengenden Tag jetzt beim Essen mit euch zur Ruhe kommen.“

Ich weiß nicht, ob jedes Beispiel so 100%ig auf dich und deinen Alltag passt, aber ich denke, du kriegst ein ganz gutes Gefühl dafür, worauf ich hinaus will. Nämlich, dass hinter dem NEIN so viel mehr oder tatsächlich was ganz anderes steckt als das, was bei unserem Kind ankommt. Ich hatte vorhin ja schon mal erwähnt, dass die emotionale Botschaft, die unser Kind aufnimmt, eher in die Richtung geht „Ich bin nicht richtig so, wie ich gerade bin. Ich muss anders sein.“.

Aus diesem Grund sind die Varianten, die ich eben beschrieben habe, auch nur die halbe Miete. Damit kommen wir im ersten Schritt an unsere Bedürfnisse ran, ja. Das ist wahnsinnig wichtig, weil wir dadurch erkennen, was uns zu diesem NEIN wirklich veranlasst. Gleichzeitig gibt es da noch die Bedürfnisse unseres Kindes und auf die mag ich an der Stelle auch noch einen Blick werfen, damit das Bild, das wir von diesen Situationen haben, runder wird.

Gehen wir nochmal die drei Beispiele durch.

  • Beispiel 1: Die Kinder streiten sich um Spielzeug und eines der Beiden haut vor lautet Wut zu. 
    • Dahinter kann z.B. das Bedürfnis nach Selbstbestimmung stecken: „ICH entscheide, wann ich dir mein Spielzeug gebe.“
    • Und/Oder das Bedürfnis nach Selbstbehauptung: „ICH lasse mir mein Spielzeug nicht einfach wegnehmen. Ich hab grad damit gespielt und möchte das auch weiter tun.“
    • Und/Oder das Bedürfnis nach Selbstwirksamkeit: durch das Hauen lässt der Bruder vom Spielzeug ab und das Kind bekommt es wieder zurück.
    • Wichtig ist bei diesem konkreten Beispiel: Die Bedürfnisse sind allesamt völlig ok, die Art und Weise sich diese zu erfüllen und zwar durch Hauen, nicht. Dazu kommen wir gleich nochmal.
  • Beispiel 2: Das Kind hatte eben schon Süßigkeiten und möchte nochmal was.
    • Hier ist das Bedürfnis nach Autonomie vorrangig: „ICH entscheide, wie viele Süßigkeiten ich essen möchte.“
    • Und/Oder auch wieder das Bedürfnis nach Selbstbestimmung: „Das ist MEIN Körper und ich entscheide darüber, wie viele Süßigkeiten ihm gut tun. Ja, vielleicht wird mir davon schlecht, aber ich weiß eigentlich noch gar nicht, wie sich das anfühlt.“
  • Beispiel 3: Das Kind steht beim Abendessen immer wieder auf und hüpft rum oder holt ständig neue Sachen.
    • Hier kann das Bedürfnis nach Bewegung eine Rolle spielen. Wir unterschätzen, glaube ich, wie viel unsere Kinder am Tag sitzen, v.a. in Kita und Schule. Abhängig vom jeweiligen Kind kann das mitunter mit dem Bedürfnis nach Bewegung ganz schön kollidieren.
    • Bissl tricky wird es, wenn das Bedürfnis nach Ruhe und Erholung dahinter steckt, so paradox das erstmal klingen mag. Es kann sein, dass das Kind zu müde ist und sich das in diesem Bewegungsdrang zeigt.
    • Und/Oder es steckt das Bedürfnis nach Sichtbarkeit bzw. Wertschätzung dahinter. Wenn das Kind immer wieder aufsteht und Dinge holt, dann ist das eine Aufforderung an uns, da hinzuschauen. Vielleicht holt es ein Spiel und möchte dann NACH dem Essen noch spielen. Oder – wie unsere Tochter das öfter tut – es holt eine Geheimarbeit aus dem Schulranzen, weil es uns a) die gute Note zeigen möchte und/oder b) grad dran gedacht hat, dass die von uns unterschrieben werden muss. 

Das sind ein paar Ideen und Impulse, was eigentlich bei unserem Kind dahinter stecken kann, wenn wir NEIN sagen und es mit einem NEIN im Verhalten quasi antwortet. Besonders hilfreich finde ich da die Haltung „Das Kind tut in diesem Moment nicht etwas gegen uns, sondern etwas für sich.“

 

Gibt es ein gutes und ein schlechtes NEIN?

Ich bin ehrlich gesagt kein großer Fan von Schwarz-Weiß-Bewertungen, aber in diesem konkreten Fall ist die Frage sehr spannend, deshalb lasse ich sie für den Moment mal so stehen.

Wenn ich das alles nochmal zusammenfasse, dann würden das schlechte und das gute NEIN wie folgt aussehen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Von einem schlechten, im Sinne von nicht hilfreichen NEIN sprechen wir, wenn…

  • es unser Kind beschämt, erniedrigt oder verängstigt. In dem Fall ist es nicht nur nicht hilfreich, sondern tatsächlich auch schädigend. Es zerstört auf Dauer den Selbstwert unseres Kindes, und damit auch unsere Beziehung zu unserem Kind.
  • wir die Bedürfnisse von einem von Beiden (also entweder von uns oder von unserem Kind) komplett außer acht lassen. Auch darüber gerät unsere Beziehung in eine Schieflage.
  • das NEIN in einem luftleeren Raum stehenbleibt und nicht klar ist, was dieses NEIN genau bedeutet. Natürlich muss die Erklärung altersgerecht sein und wir sollten nicht die Erwartung haben, dass unser Kind unser NEIN immer gut findet.
  • wir mit dem NEIN die Verantwortung abgeben, entweder an unser Kind oder an eine „höhere“ Instanz (z.B. der Zahnarzt, der dann garantiert bohren muss, wenn jetzt die Zähne nicht geputzt werden, damit sind wir wieder beim ängstigen) oder an die Stimme der Nachbarin, die plötzlich zu viel Raum einnimmt in unserem Familienalltag.

Von einem guten, im Sinne von hilfreichen NEIN sprechen wir, wenn…

  • wir unsere Verantwortung als Eltern annehmen und sie auch bei uns belassen können. Ich brauche abends Ruhe? Das ist ok, aber es ist nicht die Aufgabe des Kindes, v.a. wenn es noch sehr klein ist, das zu ermöglichen. 
  • wir Klarheit darüber haben, was uns zu diesem NEIN veranlasst, und das auch an das Kind weitergeben.
  • wir in dem Moment wirklich in Beziehung zu unserem Kind sind und sichergestellt haben, dass es uns hört und sieht und das NEIN nicht nur im Vorbeigehen zugerufen wird.
  • wenn wir uns klar ausdrücken und nicht hinter Formulierungen wie „später“ oder „gleich“ verstecken, die unter Umständen auch nichts anderes sind als ein Nein ohne weitere Erklärung.

Und damit sind wir bei der letzten Frage.

 

Wie können wir NEIN sagen?

Vielleicht hast du grad bei den letzten Punkten zum „schlechten“ bzw. „guten“ NEIN viel genickt oder du denkst dir einfach nur „Hä, und wie mache ich das jetzt genau?“. Deshalb möchte ich dir ein paar ganz konkrete Formulierungen anbieten und du schaust, was davon für dich passen könnte oder wie du es abwandeln magst, dass es auch nach dir klingt.

Ich nehme wieder die drei Beispielsituationen von vorhin:

  • Beispiel 1: Die Kinder streiten sich um Spielzeug und eines der Beiden haut vor lautet Wut zu.
    • „STOPP! Hier bleiben alle heil, weshalb keiner den anderen haut. X hat dir das Spielzeug weggenommen, mit dem du gerade selbst gespielt hast. Das hat dich richtig wütend gemacht und deshalb hast du zugehauen, kann das sein? Mir ist wichtig, dass hier niemand den anderen verletzt.“
  • Beispiel 2: Das Kind hatte eben schon Süßigkeiten und möchte nochmal was.
    • „Die Schokolade ist sehr lecker, deshalb möchtest du unbedingt nochmal etwas, richtig? Ich verstehe das, geht mir auch oft so. Gleichzeitig ist es mir wichtig, dass du keine Bauchschmerzen bekommst.“
  • Beispiel 3: Das Kind steht beim Abendessen immer wieder auf und hüpft rum oder holt ständig neue Sachen.
    • „Du hast ja noch ganz schön Energie. Bestimmt bist du heute viel gesessen und willst dich jetzt nochmal auspowern, kann das sein? Ich bin tatsächlich ziemlich müde und möchte in Ruhe Abendessen.“

Damit sind die einzelnen Situationen noch nicht final gelöst in dem Sinne, dass alle zufrieden daraus hervorgehen. Die Frage ist auch, ob das wirklich das gewünschte Ziel ist, denn wenn wir den Maßstab ansetzen, dann werden wir zwangsläufig ziemlich schnell frustriert sein. Ich habe das Ende der Situationen bewusst offen gelassen, denn auch hier gilt: die Entscheidung und damit die Verantwortung liegt bei dir. Wenn ich dir jetzt sage, wie du dich entscheiden sollst, dann nehme ich dir die Verantwortung weg und katapultiere dich wieder an den Punkt zurück, an dem du vielleicht am Anfang dieser Podcastfolge gestanden bist.

Also, wie auch immer du dich entscheidest,…

…du kannst in Beispiel 1 deinem Kind anbieten, was es statt dem Hauen tun kann oder es fragen, was es stattdessen tun könnte. Das hängt sehr stark vom Alter deines Kindes ab und wie sehr es schon Lösungsansätze entwickeln kann.

…du kannst in Beispiel 2 die Süßigkeit erlauben und schauen, was passiert, also ob die befürchteten Bauchschmerzen eintreten, oder die Süßigkeit verbieten. Und nein, dein Kind muss diese Entscheidung nicht gut finden. Wichtig ist, dass du es mit dem Gefühl nicht alleine lässt.

…du kannst in Beispiel 3 dein Kind einfach weiter rumlaufen lassen, bis sich der Bewegungsdrang gelegt hat, oder dir dein Essen schnappen und in einem anderen Raum essen. 

 

Wie auch immer du dich entscheidest, es ist DEINE Entscheidung, die EURE individuelle Familiensituation betrifft. Nur weil ich in einer ähnlichen Situation anders entscheiden würde, bedeutet das nicht, dass deine Entscheidung falsch ist. Wichtig ist, dass dein NEIN ein authentisches NEIN ist und kein willkürliches. Dass es die Bedürfnisse aller sieht (heißt nicht zwangsläufig erfüllt) und anschließend die Zumutungen, die sich in einem Familienalltag ergeben, möglichst stimmig verteilt.

 


Zum Abschluss möchte ich dir ganz konkrete Fragen mitgeben, die du dir jetzt oder in einer ruhigen Minute beantworten kannst. Heute habe ich folgende Fragen für dich:

In welchen Situationen sagst du im Alltag NEIN? Wie hilfreich ist jedes einzelne NEIN? Was möchtest du denn eigentlich mitteilen? Welche alternative Formulierung fällt dir ein, du gerne mal probieren möchtest?

Vielleicht magst du dir ein paar Gedanken dazu aufschreiben. Ich wünsche dir jedenfalls spannende Erkenntnisse und freue mich, wenn du sie mit mir teilst.

 

Bleibt rosa.
Eure Ramona