Auf das Thema für diesen Beitrag kam ich durch eine Followerin auf Instagram. Ich hatte gefragt, wozu ich mal einen Beitrag machen soll und dann kam die Frage „Wie überlebt man die Sommerferien?“ Mein allerallererster Impuls, als ich die Frage hörte, war „Wie widersprüchlich ist diese Frage eigentlich?“. Ganz so, als ob Ferien etwas wären, wo es ums Überleben geht. Tatsächlich kam dieser Impuls von meinem Ich, das noch keine Kinder hat. Denn ich kann heute als Mutter diese Frage sehr sehr gut nachempfinden und sie hat absolut ihre Berechtigung. Sommerferien, die ja meistens um die 6 bis 7 Wochen dauern, sind für Eltern eine echte Herausforderung.

Und nachdem ich in mir drin diesen Zwiespalt gespürt habe, dachte ich mir, das ist ein gutes Thema, denn ich bin sicher nicht die Einzige, die diesen inneren Konflikt verspürt.

Wir schauen uns zuallererst an, wer denn eigentlich dieser „man“ ist, von dem da immer geredet wird. Die Frage lautet ja „Wie überlebt MAN die Sommerferien?“. Um wen geht es hier konkret? Was macht diesen „man“ aus, in welchem Setting lebt er oder sie? 

Anschließend nehmen wir das Wort „überleben“ auseinander, denn auch da interessiert mich natürlich genauer, was das bedeuten soll bzw. was es bedeuten KANN. Welche Sorgen sind damit verbunden, aber auch welche Erwartungen? Und was ist darüber hinaus noch wichtig, an das wir gar nicht denken?

Vielleicht seid ihr gerade kurz vor den großen Ferien und habt euch diese Überlebensfrage auch schon gestellt oder ihr traut euch jetzt erst so richtig sie zu stellen. Weil ihr euch insgeheim schlecht fühlt, so zu denken. Schließlich sind Ferien doch was Schönes und wer redet da von Überleben… Wir nehmen diesen Zwiespalt, von dem ich anfangs gesprochen habe, jetzt einfach mal mit. Und ich hoffe, du kannst für dich ein paar wertvolle Impulse mitnehmen.

 


Falls du den Beitrag lieber hören statt lesen willst, dann findest du hier die Podcastfolge „Wer bin ich, wenn ich (nicht gerade) Mutter bin?“:


 

Wer ist eigentlich dieser „man“?

Das Wort „man“ begegnet mir im Coaching ganz oft. Es gibt Menschen, die zu mir ins Coaching kommen, und fast ausschließlich über „man“ sprechen, wenn es eigentlich um sie selbst geht. Da kommen dann so Sätze wie „Da wird man dann schon traurig.“ oder „Da kümmert man sich den lieben langen Tag um alles und keiner sieht es.“ oder „Man braucht halt auch mal eine Pause.“

In der Regel hake ich dann sehr schnell nach und frage „Wer ist denn dieser man, von dem du gerade sprichst?“ und manchmal dauert es auch tatsächlich einen Moment, bis mein Gegenüber versteht, was ich meine. Deswegen frage ich weiter nach „WER wird traurig?“ oder „WER kümmert sich?“ oder „WER braucht die Pause?“.

Es gibt so viele Menschen, denen es schwer fällt, wirklich über sich zu sprechen, also in der ICH-Form. „Ich bin dann traurig.“ ist eigentlich ein einfacher und klarer Satz und doch kommt er uns so schwer über die Lippen. Weil wir uns damit zeigen und vielleicht Angst haben, verletzt zu werden. Oder – das sagen mir Klient:innen auch immer wieder – weil sie sich nicht so in den Vordergrund drängen möchten. Das ist ja schon egoistisch immer über sich zu sprechen. 

Ja, das mag egoistisch sein, aber die Frage ist auch: Ist das immer schlecht? Wie viel Egoismus ist sogar gut und gesund für uns? Wo sollten wir uns vielleicht mehr Raum im Alltag nehmen, weil wir damit auch unseren Bedürfnissen den nötigen Raum geben?

Kommen wir zu der Ausgangsfrage zurück und schauen, wie sie stattdessen lauten könnte. In meiner Wahrnehmung sind folgende Varianten denkbar. Hör sie dir an und nimm die mit, die für dich am besten passt.

  • Wie überlebe ich als Mutter bzw. Vater die Sommerferien?
  • Wie überleben wir als Eltern dieser Familie die Sommerferien?
  • Wie überleben wir als Familie die Sommerferien?
  • Und als Ergänzung noch: Wie überleben Eltern im Allgemeinen die Sommerferien?

Wenn wir uns diese verschiedenen Varianten von ein und derselben Frage anschauen, wird deutlich, dass der Rahmen, also die jeweilige Situation immer eine etwas andere ist. Und somit können die Beweggründe auch andere sein, die dazu führen, dass jemand diese Frage stellt.

  • Im Fall von Wie überlebe ich als Mutter bzw. Vater die Sommerferien? könnte es sich um ein alleinerziehendes Elternteil handeln, das sich Gedanken macht, wie es die Sommerferien gestalten kann, wenn von Seiten des Partners oder der Partnerin keine Unterstützung vorhanden ist.
  • Stellen wir die Frage Wie überleben wir als Familie die Sommerferien? steht vielleicht die Sorge im Vordergrund, dass es viele Konflikte geben könnte, weil in dieser Familie viel gestritten wird, v.a. wenn zu viele Menschen zu lange Zeit aufeinander hocken.

Und je nachdem, in welchem Setting wir uns bewegen, also ob wir alleinerziehend sind, ob es viel Streit gibt etc. kann die Bedeutung von Überleben auch ganz unterschiedlich sein. Damit sind wir bei der zweiten Frage:

 

Was bedeutet „Überleben“?

Ich nutze jetzt im Folgenden die Variante Wie überleben wir als Eltern die Sommerferien?, damit es etwas griffiger wird. Als ich die Frage hörte, musste ein Teil in mir schmunzeln, denn diese Frage nach dem Überleben – egal, ob Sommerferien oder etwas anderes im Rahmen des Elternseins – habe ich mir auch schon oft gestellt. Und meistens schwang da immer eine Prise Humor mit, denn Humor schafft etwas Distanz zu einem Problem oder einer Herausforderung und das allein hilft oft schon. 

Gleichzeitig gibt es immer wieder Situationen, die so herausfordernd sind, dass wir absolut keinen Schimmer haben, wie wir das überleben sollen. Und natürlich ist das erstmal eine Übertreibung, denn niemand wird sterben, nur weil Sommerferien sind. Aber diese Übertreibung zeigt auch, dass das für uns eine echt Herausforderung ist. Dass wir uns Sorgen machen, ja vielleicht sogar Angst haben.

Bleiben wir bei dem Beispiel mit den Sommerferien. Sie dauern ja bei den meisten um die 6-7 Wochen. Das sind 6-7 Wochen, in denen mindestens ein Kind zuhause ist. Dieses Kind muss versorgt werden. Einmal geht es dabei ganz banal um körperliche Bedürfnisse wie Essen und Trinken.

Und ja, auch das kann schon herausfordernd sein. Ich selber bin immer wieder erstaunt, wie viel unsere beiden Kinder den ganzen Tag über essen. Je nachdem, ob grad eine Wachstumsphase ansteht oder nicht, bin ich hier gefühlt im Akkord am Essen bereitstellen. Und ich rede nicht von aufwändigen Menüs oder Kochaktionen, aber auch Snackteller zwischendurch müssen hergerichtet werden.

Um diesen Snackteller und all die anderen Mahlzeiten zubereiten zu können, müssen die entsprechenden Zutaten da sein, d.h. wir müssen die Einkaufen, also auch für den Einkauf einplanen. Das bedeutet wiederum höhere Ausgaben, die auch nicht immer so ohne sind bzw. einfach auch drin sein müssen. Ob die Kosten für die Lebensmittel pro Monat um 100 € hin oder her schwanken, ist für viele Familien durchaus relevant. Und sind wir ehrlich, 25 € pro Woche mehr sind schnell erreicht, wenn plötzlich alle zuhause sind. Vor diesem Hintergrund kriegt das Wort „Überleben“ eine ganz andere Gewichtung.

Neben den ganz grundlegenden körperlichen Bedürfnissen wie Essen und Trinken gibt es noch weitere Bedürfnisse, die auf einmal viel präsenter sind, weil wir schlicht mehr Zeit miteinander verbringen. Kinder wollen Beschäftigung, Aktivierung, sie wollen Beziehung, in Kontakt sein, sie wollen ihre Fragen stellen und mit uns Antworten finden. Je nach Alter verschieben sich diese Bedürfnisse in die eine oder die andere Richtung. Wobei auch hier nicht alle Kinder gleich sind bzw. immer nur auf das Alter reduziert werden dürfen. 

Ein Beispiel: Vielleicht gibt es tolle Ferienfreizeitangebote, ihr habt auch die finanziellen Mittel, aber euer Kind möchte da partout nicht hin. Auch wenn es „schon 10“ und damit doch eigentlich alt genug ist. Aber vielleicht ist ihm das zu stressig, sich eine oder mehrere Wochen lang auf überwiegend fremde Menschen einzulassen. Vielleicht braucht es einfach Erholung und Ruhe und die findet es am besten zuhause im gewohnten Umfeld.

Vielleicht ist dein Kind 6 Jahre alt, es würde durchaus auf eine Ferienfreizeit fahren, aber es fehlen die finanziellen Mittel dafür. Weil ihr vielleicht noch zwei weitere Kinder habt oder euer knappes Budget für die Woche Urlaub draufgeht, auf die ihr euch alle schon freut. 

Wie viel Zeit ihr in diesen 6 Wochen Sommerferien zusammen als Familie verbringen könnt, hängt auch im Wesentlichen davon ab, wie eure Arbeitssituation ist. Denn schließlich sind die Sommerferien nicht die einzigen Ferien innerhalb eines Jahres.

Bei uns in Bayern sind es bspw. knapp 14 Wochen Ferien im Jahr. Wenn wir davon ausgehen, dass Eltern in einer regulären Anstellung das Maximum von 30 Tagen Urlaub haben, dann kommen wir auf höchstens 60 Tage erwerbsarbeitsfrei versus 70 Tage Ferien. Das bedeutet, selbst wenn ein Elternpaar keinen gemeinsamen Urlaub nehmen nimmt, bleiben immer noch mindestens 10 Tage beim Kind bzw. den Kindern, die überbrückt werden müssen. Und im Angestelltenverhältnis muss der Urlaub auch immer noch mit den Kolleg:innen abgestimmt werden, die ja durchaus auch Kinder und somit eine Feriensituation haben.

Vielleicht ist ein Elternteil, wie in unserem Fall selbstständig. Das bedeutet mehr Flexibilität, aber nicht automatisch, dass die/der Selbstständige weniger arbeiten muss bzw. mehr freie Zeit hat.

Damit sind wir nun bei einer anderen Variante von „Überleben“ angekommen, denn hier geht es um den reinen Orgawahnsinn, den Eltern im Alltag eh schon ständig haben und beim Thema Ferien nochmal mehr. Wenn wir die reinen Zahlen der Ferien- bzw. Urlaubstage betrachten, wird eigentlich schon klar, dass die Rechnung nicht aufgeht. Und wir reden nur über die MENGE der Zeit und nicht darüber, WIE wir diese miteinander verbringen. Wobei sich das nicht trennen lässt, denn wenn ich Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung über mehrere Wochen unter einen Hut bringen muss, dann hat die Menge der verfügbaren Zeit auch Auswirkungen auf das WIE. Weil schlicht weniger Energie verfügbar ist und zwar für Beides: Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung, weil ich ständig zerrissen bin.

Wir könnten das jetzt noch ewig so weitermachen und immer mehr Perspektiven mit reinnehmen. Was bspw. noch völlig außen vor ist, ob du pflegende Angehörige bist, das ein Familienmitglied mit ganz besonderen Bedürfnissen versorgen muss. Aber ich denke, du bekommst auch so schon eine Idee davon, wie vielseitig das „Überleben“ ausgelegt werden kann und nicht jede:r ein und dasselbe darunter versteht, weil der Kontext immer individuell ist.

Schauen wir uns mal an, welche Sorgen und Erwartungen mit der Frage „Wie überleben wir die Sommerferien?“ verbunden sind.

 

Welche Sorgen sind mit der Frage verbunden? Und welche Erwartungen?

Wenn ich die Frage stelle Wie überleben wir als Eltern die Sommerferien?, dann schwingt da eben auch mit: „Wie schaffen wir das? Wie kriegen wir all die Herausforderungen und Ansprüche unter einen Hut?“. 

Dahinter stecken vielleicht folgende Sorgen:

  • „Ich kriege das nicht gut genug hin.“
  • „Ich habe Angst, dass ich in der Arbeit einen schlechten Eindruck hinterlasse, wenn ich nebenbei noch die Kinderbetreuung stemmen muss.“
  • Auf der anderen Seite „Ich kann meinem Kind nicht das bieten, was es vielleicht bräuchte: freie Zeit mit mir zusammen.“
  • „Ich bin eh schon so erschöpft und jetzt kommen noch die langen Sommerferien, die ja eigentlich erholsam sein sollten.“
  • usw.

Da wird recht schnell deutlich, wie innerlich zerrissen wir sind bzw. sein können. Denn diese Sorgen kommen nicht einfach so daher, sondern sie sind verknüpft mit Erwartungen, die wir oder andere an uns stellen. 

Es kann sein, dass du dir denkst „Ich als Mutter oder Vater bin jetzt zuständig dafür, dass mein Kind eine gute Zeit hat. Es soll sich erholen können, Spaß haben, die Ferien sollen aber auch abwechslungsreich und nicht zu langweilig sein.“.

Gleichzeitig hast du weiterhin die Anforderungen, die sich aus deinem Job ergeben – zumindest über Teile der Sommerferien – und denkst dir: „Ich darf meine Arbeit nicht vernachlässigen. Ich bin froh, dass ich diesen Job habe und wir brauchen auch dringend das Geld, das ich damit verdiene.“. Und dabei müssen es noch nicht einmal Anforderungen sein, die dein Chef oder deine Chefin an dich stellt. Ganz oft sind das innere Antreiber, die wir selber haben. Weil es so nicht gut genug ist, was wir tun, weil da immer noch mehr geht. Weil wir glauben uns beweisen zu müssen, völlig losgelöst davon, was sonst noch um uns rum ist. 

Und auch völlig losgelöst von dem, was uns selbst wichtig ist, was wir uns eigentlich wünschen. Denn das fällt bei der Frage Wie überleben wir die Sommerferien? ganz oft komplett hinten runter.

 

Was ist noch wichtig?

Deshalb möchte ich abschließend genau darauf eingehen, was dir wichtig ist, wenn du auf die bevorstehenden Sommerferien schaust. Was wünscht du dir von diesen Ferien? Geht es ums Überleben, ums Irgendwie-Durchkommen? Was möchtest du und was BRAUCHST du auch für diese Zeit? 

Natürlich gibt es einige Dinge, die wir müssen. Wir können uns das Wort „müssen“ verkneifen so viel wir wollen, wir können elegante Alternativformulierungen finden:  es bleibt ein MÜSSEN. Sprache ist mächtig und Sprache schafft Realität, ja, aber wir können uns mit Sprache nicht selber verarschen, davon bin ich überzeugt.

Gleichzeitig bleibt neben all dem MÜSSEN auch ein gewisser Spielraum für das WOLLEN. Und selbst, wenn er bei dir sehr sehr klein ist, ist es lohnenswert, da hinzuschauen. Wenn du also auf die Sommerferien blickst: was ist für dich das Wichtigste für diese Zeit? Ich mache dir mal ein paar Vorschläge, die du als Anregung nehmen kannst, um das für dich zu formulieren:

  • Ich habe eine gute Zeit mit meiner Familie.
  • Ich erhole mich, um wieder neue Kraft zu schöpfen.
  • Ich habe Abwechslung als Ausgleich zum Alltag.
  • Ich probiere etwas Neues aus.

Wie auch immer dein Wunsch für die Sommerferien lautet, formuliere ihn so deutlich wie möglich. Nicht mit „Ich möchte…“ oder „Es wäre schön, wenn…“, sondern ganz klar und zwar so, als wäre das Gesagte schon Realität.

Und wenn du diesen Wunsch für dich formuliert hast, dann mach dich zu allererst frei davon, dass das jetzt 6-7 Wochen lang dauerhaft so sein muss, damit es gut wird. Im nächsten Schritt überlegst du dir, was es genau bedeutet,

  • eine gute Zeit mit der Familie zu haben oder
  • dich zu erholen oder
  • Abwechslung zu haben oder
  • was auch immer du für dich festgelegt hast.

Wenn dein Wunsch nämlich nicht nur so eine verschwommene Idee ist, sondern ein möglichst klares Bild, dann ist es viel leichter, dieses umzusetzen. Dann weißt du nicht nur, was es ganz konkret braucht für die gute Zeit mit der Familie, um bei dem Beispiel zu bleiben. Du bist auch viel aufmerksamer und hältst immer wieder Ausschau nach Möglichkeiten, wie sich dein Wunsch umsetzen lässt.

 


Zum Abschluss stelle ich dir eigentlich immer ganz konkrete Fragen. Da ich in diesem Beitrag schon so viele Fragen gestellt habe, bekommst du dieses Mal eine kleine Aufgabe:

Besprich deinen ganz konkreten Wunsch zusammen mit deiner Familie und höre dir ihre Wünsche an. Vielleicht habt ihr gegenseitig Ideen, wie der Wunsch des Anderen möglich wird und könnt euch so gegenseitig unterstützen. 

Ich wünsche dir gute Gespräche und spannende Erkenntnisse und freue mich, wenn du sie mit mir teilst.

 

Bleibt rosa.
Eure Ramona