„DU BIST EINE BLÖDE KACK-MAMA UND ICH HAB DICH NICHT MEHR LIEB! NIE WIEDER!!“ kommt es aus diesem kleinen Mund, der bis vor kurzem nur liebevolle Worte für mich hatte. Ich erstarre, schlucke einen dicken Kloß runter und frage mich: ‚Hat sie das jetzt wirklich zu mir gesagt? Und nur, weil ich sie noch um 5 Minuten Geduld gebeten habe, bis ich mit ihr spielen kann?’ In mir bleibt eine ganz große Verunsicherung zurück, das Gefühl, dass mich mein Kind nicht mehr liebt. Eigentlich müsste ich sie trösten und beruhigen, denn scheinbar ist sie total wütend und traurig, aber ich merke, dass ich überfordert bin mit einer solch emotionalen Aussage. Na, wer von Euch hat das so oder so ähnlich schon mal erlebt? Herzlich willkommen auf dem nächsten Level der Elternschaft auch bekannt als die WACKELZAHNPUBERTÄT.

Hier ein kurzer Überblick, was Dich in diesem Beitrag erwartet:

💗 Teil 1 – „Du blöde Kack-Mama!“

💗 Teil 2 – Wenn (nicht nur) der Zahn wackelt…

💗 Teil 3 – 3 typische Situationen inkl. Lösungsansatz

 

„Du blöde Kack-Mama!“

Als ich zum ersten Mal diese Worte aus dem Mund meiner Tochter hörte, war ich entsetzt und irritiert zugleich. Klar, emotionale Ausbrüche kennen wir (die Angestellten vom Supermarkt nebenan auch, wie wir wissen), aber das hier war was Neues. Plötzlich steht vor einem ein Kind mit ziemlich schlechter Laune: wütend, zornig und aggressiv.

Und diese schlechte Laune zeigt sich sehr vielfältig:

  • „Lass mich in Ruhe!“
  • „Ich hasse Dich!“
  • „Ihr seid total bescheuert!“
  • „Ich kann das eh nicht!“
  • „Der Bruder ist so ein Idiot!“
  • „Ich will nicht in den Kindergarten/in die Schule!“

Immer mit dabei: Tränen über Tränen, Füße, die auf den Boden stampfen, Türen, die zugeknallt werden, Stifte, die durch die Gegend fliegen,…

Und wir stehen da und wundern uns. Oder werden auch wütend oder traurig. Wir machen uns Sorgen und fragen uns, ob es unserem Kind gut geht. In der speziellen Situation nicht, das ist klar, aber so ganz allgemein: Was macht dieses Kind scheinbar so unzufrieden und unglücklich? Was braucht es jetzt?

Eins ist sicher: Damit seid Ihr nicht allein. Wenn Ihr das Gefühl habt, dass Euer Kind über Nacht zum Teenager mutiert ist, dann stimmt das sogar ein Stück weit. Man nennt diese Zeit WACKELZAHNPUBERTÄT und sie betrifft Kinder im Alter von etwa 5-7 Jahren (individuelle Abweichungen sind immer möglich). Klingt nach einem lustigen Begriff, über den ich auch immer wieder Scherze gehört habe. Leider hilft uns das nur bedingt weiter. In solchen Situationen ist niemandem nach Lachen zumute, vor allem nicht, wenn man die ersten Male damit konfrontiert ist.

 

Wenn (nicht nur) der Zahn wackelt…

Lasst uns doch mal hinter die Kulissen schauen, was da so geboten ist bei der Wackelzahnpubertät. Ihr kennt mich mittlerweile und auch meine Haltung, dass hinter jedem Verhalten eine positive Absicht steckt – ob wir sie erkennen (wollen/können) oder nicht. Und deshalb bin ich überzeugt, dass das bei unserem Kind in dieser Phase nicht anders ist.

In dieser Zeit hat unser Kind eine große Aufgabe: SICH UND SEINE WELT NEU ORDNEN. Es passieren nämlich viele Dinge, die weit über die Wackelzähne hinausgehen:

  • Körperwachstum und damit verbunden neue Proportionen
  • Stimmungsschwankungen, d.h. erst total fröhlich, dann tief traurig und verunsichert
  • Autonomie versus Nähe, also Entscheidungen selbst treffen wollen und trotzdem noch Hilfe benötigen

Die Kinder nehmen diese Veränderungen natürlich sehr stark wahr („Ich bin jetzt schon groß!“). All das kostet Kraft und führt immer wieder zu Überforderung. Sie lösen sich einerseits weiter von den Eltern, aber genau das macht ihnen auf der anderen Seite auch Angst und sie benötigen dann umso mehr unsere Nähe.

Im Grunde genommen ist die Wackelzahnpubertät wie eine erste Sinnkrise für unsere Kinder, weil sie ein neues Selbstbild entwickeln, das sich nicht nur optisch/äußerlich zeigt, sondern eben auch mit Veränderungen im Innen einhergeht. Mit den Zähnen wackelt also auch die Seele und diesen temporären Gleichgewichtsverlust auf allen Ebenen bekommen wir durch die emotionalen Ausbrüche zu spüren. Das bringt wiederum uns Eltern aus dem Gleichgewicht. 

UND DAS IST VÖLLIG OK SO. Punkt. 💗

Im nächsten Teil zeige ich Euch 3 für die Wackelzahnpubertät typische Situationen und was Ihr tun könnt, damit diese nicht in irgendeine Richtung eskalieren. Denn eins steht fest: unser Kind braucht uns bei dieser wichtigen Aufgabe, sich und seine Welt neu zu ordnen.

 

3 typische Situationen und wie´s vielleicht weniger knallt

Nun steht es vor uns, das wütende Kind und haut verbal oder tatsächlich mit Armen und Beinen um sich: was tun? Das, was uns erstmal vermutlich am schwersten fällt, wenn wir selbst in der Situation gefangen sind, und zwar DRUCK RAUSNEHMEN. 

Druck führt grundsätzlich immer an den Bedürfnissen von Menschen vorbei und erzeugt dadurch Gegendruck. Hier geht es NIE um einen Machtkampf, sondern darum, für Bedürfnisse einzustehen und deren Erfüllung zu sorgen. Unsere Kinder machen das noch ganz automatisch und wir sollten sie nicht davon abbringen. Aus ihnen werden sonst Erwachsene, die mühsam wieder lernen müssen, was es bedeutet, auf die eigenen Bedürfnisse zu achten. Und die Geschichte wiederholt sich…

Im Folgenden beschreibe ich 3 typische Situationen, die sich so oder so ähnlich bei Euch ereignen. Zu jeder Situation biete ich mehrere Impulse, in welche Richtung Ihr denken könnt. Da jede Familie ganz individuell ist, gibt es keine pauschalen Lösungen, die immer und überall funktionieren. Gleichzeitig hoffe ich, dass Ihr etwas mitnehmen könnt, um das in Eurem Familienalltag auszuprobieren.

 

SITUATION 1

Dein Kind kommt morgens nicht aus dem Bett und plötzlich läuft alles hektisch und chaotisch, damit Ihr es rechtzeitig aus dem Haus schafft.

Impulse

  • Fester Ablauf, der Halt und Sicherheit gibt inkl. fester Zuständigkeiten
  • Morgens früher wecken bzw. Aufwachzeit einplanen ggf. unterstützt durch einen Tageslichtwecker oder leise Musik
  • Abends früher ins Bett, vorher Zeit lassen zum Runterkommen/Abschalten, d.h. keine großen Aktivitäten bis kurz vorher
  • Zeit für Gespräche und Kuscheleinheiten (Nähe tanken)

 

SITUATION 2

Bei den Hausaufgaben kommt es regelmäßig zu Streit und Tränen. Manchmal geht es soweit, dass Dein Kind komplett verweigert, die Aufgaben zu machen.

Impulse

  • Zuhause ankommen lassen, d.h. erst kurze Pause, was essen/trinken und ein bisschen über den Tag sprechen (vielleicht war etwas, das Dein Kind bedrückt oder beschäftigt)
  • Aufgaben in Häppchen unterteilen, zwischendurch kurze (Bewegungs-)Pausen
  • Je nach Energielevel zuerst die schwierige oder die leichte Aufgabe
  • Kind über die Reihenfolge entscheiden lassen

 

SITUATION 2

[Irgendwas]* klappt nicht und Dein Kind flippt aus.

* Platzhalter für Schuhe binden, Knöpfe zumachen, Menschen realitätsnah zeichnen, Fahrradfahren, ..

Impulse

  • Da sein und das Gefühl mit aushalten ohne gleich direkt in die Lösungsfindung gehen
  • Wenn sich der Sturm etwas gelegt hat: von eigenen „Schwächen“ erzählen („Mich macht es immer wütend, wenn ich XY nicht hinkriege! Ich mach dann YZ, das hilft mir.“).
  • Kind bestärken es selbst nochmal zu versuchen.
  • Alternativ fragen: „Was brauchst Du, damit Dir das gelingen könnte?“

 

Worum geht es konkret bei der Wackelzahnpubertät?

  • Druck rausnehmen
  • Da sein und zuhören
  • Bedürfnisse erkennen und verbalisieren
  • Lösungsfindung durch Kind unterstützen
  • Und von vorne, wenn’s das noch nicht war ;)

Bleibt offen und zugewandt. Die besprochene Morgen-/Abendroutine muss nicht ab Tag 1 flutschen. Dein Kind ist nicht jeden Tag gleich fit/müde nach der Schule (Du ja auch nicht). Was X Wochen gut funktioniert hat, macht plötzlich keinen Sinn mehr? Dann weg damit, also keine Routine um der Routine willen.

Gerne verweise ich an dieser Stelle auch nochmal an meinen Beitrag zur GEWALTFREIEN KOMMUNIKATION, die Ihr Euch als Unterstützung dazu holen könnt. Mit der GFK hast Du die Möglichkeit, bei Dir zu bleiben und Verantwortung für Deine Gefühle zu übernehmen. Ja, das Kind möchte morgens partout nicht aufstehen und es ist jeden Tag ein Kampf. Das darfst Du blöd finden und gleichzeitig trägt Dein Kind nicht die Verantwortung dafür, wenn Du sauer wirst. GFK im Alltag braucht etwas Übung, lohnt sich aber, nicht nur für Konfliktsituationen in Familien, sondern generell.

 

Da ich mich immer über Impulse und Austausch freue, würde mich interessieren, welche Erfahrungen Du bisher zu dem Thema Wackelzahnpubertät gemacht hast. Wie gehst Du damit um?

Ich freue mich über einen Kommentar oder eine Nachricht von Dir.

Bleibt rosa.
Eure Ramona