Das neue Jahr ist da. Vor uns liegen 365 Tage, die gefüllt sein werden mit umarmen, begleiten, trösten, pflegen, versorgen, kümmern, beschützen, ernähren, zuhören – also damit, die Bedürfnisse unserer Kinder zu stillen. Eine Tätigkeit, die keine Uhrzeit kennt, keinen Tag und keine Nacht, die nicht fragt, ob wir gerade voller Kraft oder total ausgelaugt sind. Wir tun es einfach.
Was wir für unsere Kinder ganz wunderbar können, gelingt uns für uns selbst oft nicht wirklich gut. Das Ergebnis: Die Augenringe werden so dunkel wie das Nervenkostüm dünn, wir spüren, wie die Zeit unserer Elternschaft immer mehr an uns nagt.
Ich bin ein absoluter Fan der BEDÜRFNISORIENTIERTEN ELTERNSCHAFT, weil dieser Weg in meiner Wahrnehmung ein absoluter Gewinn für alle Beteiligten ist – WENN er nicht auf Kosten Einzelner beschritten wird.
Hier ein kurzer Überblick, was Dich in diesem Beitrag erwartet:
💗 Teil 1 | Die Bedürfnisorientierung – eine Geschichte voller Missverständnisse
💗 Teil 2 | Was sind Bedürfnisse? Warum sind sie so wichtig?
💗 Teil 3 | So erkennst Du Deine Bedürfnisse
Kommt mit und schaut mit mir hinter die Kulissen der BO-Blase. Hier gibt es keine Opfer und somit auch keine Täter, auch wenn viele, teils widersprüchliche Bedürfnisse vieler Beteiligter im Raum sind. Wir schreiben das Bühnenstück unserer Elternschaft einfach so um, dass es für uns passt. Wie wär’s?
Eine Geschichte voller Missverständnisse
3:28 Uhr: Das Baby weint, diese Nacht schon zum sechsten Mal. Oder waren es sieben Mal? Keine Ahnung, Du hast irgendwann aufgehört zu zählen. Du stehst auf und kümmerst Dich, gibst Deinem Baby, was es gerade braucht: Flasche/Brust, Schnuller, ein Lied, Zäpfchen gegen das Fieber…
17:15 Uhr: Du deckst den Tisch zum Essen. Plötzlich steht Dein Kind vor Dir und fängt an zu brüllen. Ein Wutanfall, der vierte von fünf an diesem Tag. Nachdem Du den Gefühlssturm begleitet hast, erfährst Du, dass Dein Kind den Tisch selber decken wollte. „Ach ja, Bedürfnis nach Autonomie“ rattert es durch Deinen Kopf.
Zwei klassische Situationen, verschiedene Bedürfnisse beim Kind. Wir haben ja mal gehört oder gelesen, dass ungestillte Bedürfnisse immer wieder kommen. Also, unbedingt erfüllen. Ist ja nur eine Phase, oder?
Und damit sind wir genau da, wo es schwierig wird. Denn dieser Satz „Ist alles nur eine Phase“ kann wirklich toxisch sein. Er suggeriert uns, dass wir eines Tages an einen Punkt kommen, wo die Bedürfnisbehälter unserer Kinder gefüllt sind und es quasi nichts mehr zu tun gibt. Ziel erreicht.
DIESEN PUNKT GIBT ES NICHT.
- Bedürfnisse verändern sich, ja: Das Baby, das von jetzt auf gleich nach Nahrung schreit, kann mit 2 Jahren auf das Essen auch mal ein paar Minuten warten.
- Aber Bedürfnisse ändern sich auch in der Hinsicht, dass neue hinzu kommen. Der oben erwähnte Wutanfall wird plötzlich ein Thema, das uns mehrmals am Tag beschäftigt.
Und was wir bei all dem komplett außer acht lassen: UNSERE Bedürfnisse. Wie lange plagen uns schon die unterbrochenen Nächte? Wie sehr haben wir unser Bedürfnis nach Körperpflege hinten angestellt, wenn wir selten vor 14 Uhr duschen? Das Bedürfnis nach Me-Time dümpelt auf der Prio-Liste irgendwo auf Platz 28, denn Selbstfürsorge wird zum Luxus anstatt eine gnadenlose Selbstverständlichkeit zu sein.
Wie kommen wir da jetzt wieder raus? Mit einer gesunden Mischung aus WISSEN und FÜHLEN.
Was sind Bedürfnisse? Warum sind sie so wichtig?
Wenn wir von Bedürfnissen reden, dann kommen wir schnell zu einer Vermischung von verschiedenen Dingen. Oft kommen nämlich Wünsche dazu, hinter denen wiederum Bedürfnisse stehen, sich als solche aber nicht deutlich zeigen. Lest dazu gerne mehr in meinem früheren Beitrag Bedürfnis vs. Wunsch, wo ich das – bezogen auf die Wünsche und Bedürfnisse von Kindern – genauer aufgedröselt habe.
Bedürfnisse sind UNIVERSELL, d.h. jeder Mensch hat die gleichen Bedürfnisse, nur eben nicht zur gleichen Zeit und nicht immer gleich stark. Beispiele für die wichtigsten Bedürfnisse sind:
- Nahrung
- Schutz
- Geborgenheit
- Autonomie
- Nähe/Beziehung
Diese Bedürfnisse müssen erfüllt werden, denn unerfüllte Bedürfnisse machen uns auf Dauer krank. Sie sichern also unsere physische und psychische Gesundheit, bei Babys sogar das Überleben. Das erklärt, warum wir bei Babys auch so schnell reagieren, wenn sie schreien.
Gerade als Eltern kommen wir jedoch immer wieder in Situationen, wo die Bedürfnisse der Familienmitglieder miteinander kollidieren und wir unsere eigenen hinten anstellen. Das geschieht im hektischen Familienalltag oft unbewusst. Was uns bei unserem Baby noch recht gut gelingt, wird zusehends schwieriger, wenn die Kinder größer werden. Schlicht und ergreifend, weil uns die Puste ausgeht.
Verschärft wird das Ganze dann auch noch, wenn wir das Gefühl haben, dass durch das Einstehen für unsere Bedürfnisse eine Bedürftigkeit entsteht, weil wir Hilfe von anderen annehmen müssten. Wir wollen nicht abhängig sein, sondern die Zügel selber in der Hand halten.
Das ist aber weder möglich noch erstrebenswert, wenn wir (mental) gesund bleiben wollen. Wir sind soziale Wesen und als solche darauf angewiesen, dass wir Dinge gemeinsam tun, Lösungen im Austausch finden oder Aufgaben aufteilen. Nur so kriegen unsere Bedürfnisse auch den Raum, den sie brauchen. Nur so bleiben wir gesund.
So erkennst Du Deine Bedürfnisse
Ich schreibe diesen Beitrag kurz nachdem ich eines meiner beiden Kinder in den Schlaf begleitet habe. Heute bin ich wieder mit eingeschlafen, so müde war ich. Eigentlich war mein ganzer Körper schon völlig entspannt und wie eingehüllt in diesen Kokon aus erholsamem Schlaf. Und doch bin ich nochmal aufgestanden und sitze nun hier.
Warum tue ich das? Weil für mich nicht nur Schlaf wichtig ist, sondern auch der Teil des Tages (aka der Abend), an dem ich komplett selbstbestimmt sein kann. Ich brauche diese Zeit wie die Luft zum Atmen, ohne sie würde es ganz schnell ganz ungemütlich werden hier. 😁
Und da sind wir schon beim Kern der Sache: bei unseren GEFÜHLEN. Wenn ich meinem Bedürfnis nach Selbstbestimmung nicht nachgehe, fühle ich mich einfach schlecht, ich bin gereizt und unausgeglichen. Andersrum funktioniert es übrigens auch: ist das Bedürfnis erfüllt, ziehe ich daraus Energie.
Dieses Fühlen lässt sich mit etwas Übung auch einem bestimmten Bereich des Körpers zuordnen. In meinem Fall spüre ich es im Bauchraum: bin ich gereizt, dann zieht sich alles zusammen und verkrampft, bin ich hingegen ausgeglichen, dann spüre ich eine Art Weichheit und so etwas wie Wärme.
Gefühle sind wie ein Wegweiser, der uns die Richtung zeigt.
- Sie sind nicht nur für unsere Stimmung verantwortlich, sie veranlassen uns gleichzeitig zu einer Handlung oder Reaktion.
- Sie können Dir also einen Hinweis darauf geben, wie es um Deine Bedürfnisse steht.
Wenn Du also das nächste Mal gereizt, nervös, traurig etc. bist, dann stell Dir doch einfach mal folgende Fragen:
- Was an dieser Situation löst in mir dieses Gefühl aus?
- Wie würde ich mich lieber fühlen?
- Was braucht es, damit ich dieses positive Gefühl habe?
- Was kann ich konkret dafür tun?
WICHTIG: Die Frage „Was kann ich konkret dafür tun?“ soll nicht suggerieren, dass wir alles Glück in unserer Hand haben und uns nur genügend anstrengen müssen, um das zu erreichen. Vielmehr soll sie den Blick auf den Bereich lenken, in dem wir selber aktiv werden können. Hallo, Selbstwirksamkeit. Schön, dass Du da bist. 😉
Da ich mich immer über Impulse und Austausch freue, würde mich interessieren, welche Erfahrungen Du bisher zu dem Thema gemacht hast. Wie gehst Du damit um?
Ich freue mich über einen Kommentar oder eine Nachricht von Dir.
Bleibt rosa.
Eure Ramona